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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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darin zu sehen.
    Erst in diesem Moment bemerkte sie, dass der Fernseher lief, das Bild jedoch angehalten worden war. Sie sah Russell ins Zimmer kommen, die Fernbedienung vom Schreibtisch nehmen und das alte Videogerät einschalten. Die Gestalten auf dem Bildschirm bewegten sich wieder. Das Material war grobkörnig, als hätte man einen alten Super- 8 -Film in ein Video umgewandelt. Mit den Bewegungen kam auch der Ton.
    Den Tod im Herzen starrte Vivien auf den Bildschirm.
    Mitten auf der Bühne eines kleinen Theaters, vor einem vollen Saal, saß ein Bauchredner im Scheinwerferlicht. Der Mann war jung, doch durchaus wiederzuerkennen. Auf den Knien hatte er eine Puppe, die er am Rücken festhielt. Die Puppe war knapp einen Meter groß und stellte einen alten Mann in einem weißen Gewand mit langen weißen Haaren und einem ebensolchen Bart dar.
    In einer anderen Zeit an einem weit entfernten Ort wandte sich Michael McKean an die Puppe und stellte ihr ungeduldig eine Frage.
    » Willst du mir nicht endlich sagen, wer du bist?«
    Die Puppe antwortete mit tiefer, ruhiger Stimme.
    » Hast du das immer noch nicht kapiert? Du bist doch wirklich dumm, mein Junge.«
    Dann drehte die Puppe, von der geübten Hand des Bauchredners geführt, den Kopf in Richtung Publikum, um das Gelächter einzuheimsen. Ein Augenblick der Stille. Die dichten Brauen über den unnatürlich blauen Glasaugen runzelten sich.
    Dann sagte sie endlich, was das Publikum längst erwartet hatte.
    » Ich bin Gott.«

36
    » Und als wir beim Joy ankamen, sahen wir, dass Pater McKean von John, seiner rechten Hand, erschossen worden war. Das ist alles, was wir im Augenblick wissen.«
    Vivien beendete ihre Erzählung und teilte dann das Schweigen mit den anderen Menschen im Raum, auf deren Gesichtern sich die unterschiedlichsten Empfindungen widerspiegelten. Wer die Geschichte schon kannte, erlebte sie durch ihre Worte noch einmal neu und schmeckte den bitteren Geschmack der Bestätigung auf der Zunge. Wer sie jetzt zum ersten Mal hörte, lauschte erstaunt.
    Es war sieben Uhr. Durch ein Fenster kam das Morgenlicht herein und zeichnete Lichtflecken auf den Boden.
    Alle waren erschöpft.
    Im Büro des Bürgermeisters in der New York City Hall befanden sich Joby Willard, der Polizeichef, Captain Alan Bellew, Vivien, Russell und Dr. Albert Grosso, ein von Bürgermeister Gollemberg als Berater hinzugezogener Psychopathologe. Er war rasch herbeigerufen worden, um sich um den total verwirrten John Kortighan zu kümmern.
    Angesichts dessen, was das Joy in seinen Mauern barg, waren sich alle einig gewesen, dass man die Jugendlichen nicht die Nacht dort verbringen lassen wollte. Sie waren externen Mitarbeitern des Joy anvertraut und provisorisch in einem Hotel in der Bronx, das sie aufzunehmen bereit war, untergebracht worden.
    Vivien hatte Sundance nur einen Kuss gegeben und sich vorgenommen, ihr erst am nächsten Tag vom Tod ihrer Mutter zu erzählen. Als sie die jungen Menschen in den Bus steigen sah, dachte sie, dass es lange dauern würde, bis sie diese Sache verarbeitet haben würden. Sie hoffte nur, dass sich angesichts dieser neuerlichen Prüfung keiner von ihnen wieder verlor.
    Nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hatte, die Leiche Michael McKeans fortgebracht und sein Mörder in Handschellen abgeführt worden war, wurden sie von einem Wagen abgeholt. Sie kamen fast gleichzeitig mit dem Captain am Rathaus an, wo Bürgermeister Wilson Gollemberg schon auf heißen Kohlen saß.
    Zunächst vergewisserte er sich, dass nun keine Gefahr mehr durch die anderen Minen bestand.
    Bellew erklärte, dass die Sprengstoffexperten die Fernbedienung, mit der die Minen ausgelöst werden konnten, unschädlich gemacht hätten. Mithilfe des Briefs, den man unter den Sachen des Geistlichen gefunden habe, und des Stadtplans, der dieselben Informationen enthalte – wie Vivien in einer genialen Eingebung herausgefunden habe – könne man außerdem genau lokalisieren, in welchen Gebäuden sich Minen befanden. Ihre Beseitigung würde in wenigen Stunden beginnen, leider verbunden mit gewissen Unannehmlichkeiten für die Bürger.
    Dann erzählte Vivien die ganze komplizierte Geschichte bis zu ihrem dramatischen Ausgang.
    Das war das Stichwort für den Psychiater. Dr. Grosso war ein Mann um die fünfundvierzig und das genaue Gegenteil dessen, was man sich üblicherweise unter einem Psychiater vorstellt. Er stand auf und begann zu sprechen. Dabei ging er im Zimmer hin und her und zog

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