Ich Bin Gott
versammelt. Ein Stück von ihnen entfernt standen zwei weitere Männer, ein großer, korpulenter Schwarzer und ein Weißer in blauer Arbeitsjacke. Es schien eine große Anspannung zu herrschen, was begreiflich war, denn schließlich findet man nicht täglich beim Einreißen einer Mauer eine Leiche.
Sie ging zu den beiden Männern und zeigte ihre Dienstmarke.
» Guten Tag. Vermutlich warten Sie auf mich. Ich bin Detective Vivien Light.«
Wenn die beiden erstaunt waren, sie zu Fuß kommen zu sehen, ließen sie es sich nicht anmerken. Die Erleichterung darüber, endlich einen Ansprechpartner zu haben, überlagerte jeden anderen Gedanken.
Der Weiße sprach für beide.
» Ich bin Jeremy Cortese, der Baustellenleiter. Und das ist Ronald Freeman, mein Stellvertreter.«
Um die Ungeduld der beiden nicht länger zu strapazieren, kam Vivien sofort zur Sache.
» Wer hat die Leiche entdeckt?«
Cortese deutete auf die Gruppe der Arbeiter hinter ihnen.
» Jeff Sefakias. Er hat eine Mauer eingerissen und …«
Vivien unterbrach ihn.
» Okay. Mit ihm spreche ich später. Jetzt möchte ich mir den Tatort ansehen.«
Cortese trat auf den Eingang der Baustelle zu.
» Hier entlang, ich gehe voraus.«
Freeman blieb stehen.
» Wenn es nicht unbedingt nötig ist, möchte ich diesen …dieses Ding nicht noch einmal anschauen müssen.«
Vivien unterdrückte mit Mühe ein Lächeln. Der Mann war ihr sympathisch, und sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, sie lache ihn aus, wofür es nun wirklich keinen Grund gab. Wieder einmal musste sie feststellen, dass man häufig Überraschungen erlebte, wenn man vom Körper eines Menschen auf sein Wesen schloss. Von seiner Statur her war der Mann zum Fürchten, und doch ließ er sich von einem grausigen Anblick beeindrucken.
In diesem Augenblick hielt direkt neben der Absperrung ein großer Wagen. Der Fahrer beeilte sich, die hintere Tür auf der Beifahrerseite zu öffnen, um eine Frau aussteigen zu lassen. Sie war groß und blond und musste einmal schön gewesen sein. Jetzt war sie nur noch die Manifestation des sinnlosen Kampfes gegen die Unbestechlichkeit des Alters. Ihre lässige Markenkleidung half da auch nichts. Sie roch nach den Boutiquen in der 5 th Avenue, Massagen in exklusiven Beauty-Spas, französischem Parfüm und Hochnäsigkeit. Ohne Vivien eines Blickes zu würdigen, wandte sie sich direkt an Cortese.
» Jeremy, was ist hier los?«
» Wie ich schon am Telefon sagte, haben wir während der Bauarbeiten eine Leiche gefunden.«
» Mag sein. Aber deswegen kann man doch die Arbeit nicht einstellen. Haben Sie eine Vorstellung, was die Baustelle das Unternehmen jeden Tag kostet?«
Cortese zog die Schultern zusammen und deutete automatisch auf Vivien.
» Wir haben auf die Polizei gewartet.«
Erst in diesem Moment schien die Frau Vivien zu bemerken. Sie musterte sie von Kopf bis Fuß mit einem Gesichtsausdruck, den zu enträtseln sich nicht lohnte, wie Vivien beschloss. Was auch immer einer Prüfung unterzogen wurde, Kleidung, Aussehen, Alter, sie würde auf alle Fälle durchfallen.
» Sehen Sie zu, dass diese unerfreuliche Angelegenheit so schnell wie möglich erledigt ist.«
Vivien neigte den Kopf zur Seite und lächelte sie an.
» Mit wem habe ich das Vergnügen?«
Die Frau hob zu einer Erklärung an.
» Elisabeth Brokens. Mein Mann ist Charles Brokens, der Inhaber des Bauunternehmens.«
» Nun, Mrs. Elisabeth Brokens, Frau von Charles Brokens, Inhaber des Bauunternehmens. Diese Nase, die Ihnen Ihr plastischer Chirurg ins Gesicht gepflanzt hat, könnte man unter Umständen als unerfreuliche Angelegenheit bezeichnen. Was hier dagegen geschehen ist, bezeichnet der Rest der Welt für gewöhnlich als Mord. Und wie Sie vielleicht wissen, ist Mord ein Akt, der üblicherweise vom Gesetz geahndet wird. Was – wenn ich mir erlauben darf, Sie darauf hinzuweisen – Vorrang vor der Unternehmensbilanz hat.«
Vivien stellte ihr Lächeln ein und änderte den Tonfall.
» Und wenn Sie mir jetzt nicht aus dem Weg gehen, dann lasse ich Sie wegen Behinderung der Ermittlungen der New Yorker Polizei festnehmen.«
» Was erlauben Sie sich? Mein Mann ist ein persönlicher Freund des Polizeichefs und …«
» Dann beschweren Sie sich bei ihm, liebe Mrs. Elisabeth Brokens, Frau von Charles Brokens, persönlicher Freund des Polizeichefs, und lassen Sie mich meine Arbeit machen.«
Vivien drehte der Frau den Rücken zu und ließ sie stehen, zur Marmorstatue erstarrt. Sollte sie doch ewig
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