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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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einige Buchstaben fast ausgelöscht, doch man konnte sie gerade noch entziffern.
    Cù Chi District 1971
    Das zweite Foto, das viel besser erhalten war, überraschte sie. Es zeigte denselben jungen Mann, der auf dem anderen Bild so nachdenklich ausgesehen hatte. Hier war er in Zivil, hatte lange Haare und trug ein T-Shirt mit psychedelischen Motiven und eine Arbeitshose. Er lächelte und hielt eine große schwarze Katze in die Kamera. Vivien sah sich Mann und Tier aufmerksam an. Zunächst dachte sie, es handele sich um eine perspektivische Verkürzung, doch dann erkannte sie, dass ihr erster Eindruck richtig gewesen war.
    Die Katze hatte nur drei Beine.
    Die Rückseite des Fotos war unbeschriftet.
    Sie ließ sich von Bowman, dem anderen Polizisten, zwei Plastiktüten geben und steckte die Brieftasche und die Fotografien hinein. Dann ging sie zu Frank Ritter, dem Leiter der Spurensicherung, mit dem sie in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet hatte, und überreichte ihm die Tüte.
    » Ich brauche eine Analyse von diesem Material. Fingerabdrücke, wenn es welche gibt, und eine vollständige Untersuchung der Kleidung des Opfers. Außerdem brauche ich Vergrößerungen von den Fotos.«
    » Wir sehen, was sich machen lässt. Wenn ich du wäre, würde ich mir allerdings keine großen Hoffnungen machen. Das scheint mir doch alles ziemlich lange her zu sein.«
    Das musst ausgerechnet du mir jetzt sagen …
    Die Leiche war in der Zwischenzeit vorsichtig auf eine Bahre gelegt worden. Der Gerichtsmediziner stand daneben. Vivien trat näher, um sich das, was einmal ein Mann gewesen war, genauer zu anzuschauen. An seinem letzten Tag hatte er eine Stoffjacke und eine Hose von ganz gewöhnlicher Qualität getragen.
    Der Gerichtsmediziner ging um die Bahre herum und trat neben Vivien. Die Vorstellung beschränkte sich auf das Allernotwendigste.
    » Jack Borman.«
    » Vivien Light.«
    Sie wussten beide, wer der andere war, wo sie sich befanden und was sie zu tun hatten. Alles andere war in dieser Situation zweitrangig.
    » Können Sie mir schon sagen, was die Todesursache war?«
    » Aus der Haltung des Kopfes lässt sich vermuten, dass ihm jemand, umgangssprachlich gesprochen, das Genick gebrochen hat. Wie, kann ich noch nicht sagen. Das wird die Obduktion ergeben.«
    » Wie lange ist er Ihrer Meinung nach schon hier?«
    » Nach dem Erhaltungszustand des Körpers würde ich sagen, ungefähr fünfzehn Jahre. Man muss aber auch die Bedingungen des Ortes, an dem er versteckt war, berücksichtigen. Wir werden mehr wissen, wenn wir die Gewebeproben analysiert haben. Im vorliegenden Fall werden uns sicherlich auch die Analysen der Kleidungsstoffe weiterhelfen.«
    » Danke.«
    » Keine Ursache.«
    Der Gerichtsmediziner entfernte sich, und Vivien stellte fest, dass sie hier nichts mehr tun konnte. Sie erteilte die Anweisung, den Leichnam wegzubringen, verabschiedete sich von den Anwesenden und überließ die Männer ihrer Arbeit. In Anbetracht der Sachlage hielt sie es nicht für nötig, mit dem Arbeiter zu sprechen, der die Leiche gefunden hatte. Sie hatte Bowman beauftragt, die Personalien all derjenigen aufzunehmen, die etwas Hilfreiches zu den Ermittlungen beitragen konnten. Sie würde später mit ihnen sprechen, auch mit Mr. Charles Brokens, dem Inhaber der Baufirma, der jeden Morgen neben dieser Frau aufwachte.
    In einem Mordfall wie diesem brachten die Ergebnisse der technischen Analysen meist interessantere Informationen als jeder Zeuge. Wenn sie die hätte, würde sie einen Aktionsplan entwerfen.
    Sie ging den Weg, der sie an den Ort eines vor Jahren verübten Verbrechens geführt hatte, wieder zurück. Die Arbeiter sahen ihr mit einer Mischung aus Bewunderung und Befangenheit nach, als sie die Baustelle in Richtung Polizeirevier verließ, um ihr Auto zu holen. Jetzt galt es nachzudenken, und die lärmende Anonymität von New York war paradoxerweise die richtige Umgebung dafür.
    Bellew hatte ihr einen schwierigen Fall anvertraut. Vielleicht glaubte er wirklich, sie könne ihn lösen, doch dieses Vertrauen verlangte, Kastanien aus dem Feuer zu holen. Und die Fakten, über die sie bislang verfügte, deuteten darauf hin, dass diese Kastanien schon mindestens fünfzehn Jahre im Feuer lagen und zu unidentifizierbaren Kohlestücken verbrutzelt waren.
    Als sie an einem Café vorbeikam und unwillkürlich einen Blick hineinwarf, sah sie an einem Tisch Richard und eine junge Frau mit langen blonden Haaren sitzen. Die beiden redeten und

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