Ich bin kein Berliner
hinaus an die frische Luft.
Mein Handeln war mir peinlich. Durch die eigene Geschäftstüchtigkeit wäre ich beinahe ums Leben gekommen, nur durch den ehrlichen Einsatz des Personals wurde ich gerettet. Dabei handelten doch die Verkäuferinnen gegen ihre eigenen Interessen! Was lag ihnen an mir?
In den neuen teuren russischen Boutiquen ist der Preis heute umgekehrt ein Qualitätsmerkmal, ein Grund zum Protzen: je höher der Preis, desto zufriedener der Kunde. Kein Neureicher käme auf die Idee, eine Krawatte für dreihundert Dollar zu kaufen, wenn man die gleiche um die Ecke für fünfhundert bekommen konnte.
Ein anderes Mal versuchte ich, im Kaukasus zu feilschen, genau genommen auf dem Berg Elbrus. Erschöpft nach einer dreistündigen Bergbesteigung, erreichten wir, eine Gruppe von leichtsinnigen Touristen, die Mittelebene. Dort standen einheimische Händler, die ihre volkstümlichen Tücher, Decken und Lammfelle verkauften. Niemand von uns hatte Lust, weiter hochzuklettern. Also beschlossen wir, umzudrehen und vorher noch ein Souvenir zu kaufen, das uns für immer an diese anstrengende Reise erinnern sollte. Die meisten kauften preiswerte Teppiche, ich dagegen entschied mich für ein Lammfell, das allerdings teuer war. Die Kaukasier sind doch Orientalen, sie müssen aufs Feilschen bestehen, dachte ich und bat eine Frau, die ein schwarzes Kopftuch trug, um eine Preisermäßigung. Nebenbei bemerkt sahen diese kaukasischen Felle gar nicht so toll aus. Als Beweis meiner Lammfellkenntnis roch ich an einem Fell und schnitt eine besorgte Fratze. Die Verkäuferin lief rot an. Sie riss mir ihr Fell aus der Hand und zischte, unter keinen Umständen, für kein Geld der Welt würde sie mir etwas verkaufen. Außerdem solle ich ihr aus der Sonne gehen, ich würde sie nervös machen. Ich bin dann ohne Lammfell wieder von dem Berg heruntergeklettert.
In Deutschland wird das Handeln und Feilschen dagegen neuerdings sogar gefördert, Rabattgesetze und jahreszeitliche Schlussverkäufe werden gekippt, damit die Bürger das ganze Jahr über grünes Licht für das Feilschen haben. Damit will man den Wettbewerb beleben. Doch trotz aller offiziellen Anstrengungen bleibt das Feilschen auch in Deutschland verpönt. Es ist dem Deutschen nicht bekömmlich, lange zu handeln, denn alles muss seine Ordnung haben und jedes Ding seinen Preis.
Die Berliner verfallen oft in Extreme: Entweder handeln sie gar nicht, oder sie machen sich wegen jedem einzelnen Cent verrückt. Das große Feilschen findet hier nur noch auf Flohmärkten statt, und selbst in diesen Volkstempeln der Marktwirtschaft geht das Handeln oft von der falschen Seite aus: Die Verkäufer drücken die Preise selbst. Gegenüber von unserem Haus im so genannten Mauerpark, einem Streifen Erde zwischen Ost und West, baut sich jeden Sonntag ein riesiger Flohmarkt auf, der von Woche zu Woche größer wird. Kürzlich erwarb meine Frau dort völlig unerwartet jede Menge Markenkleider für insgesamt zwanzig Euro. Zwei junge Mädchen verkauften ihre Abendkleider von Kookaï und Hugo Boss. Sie wollten fünfzig Euro für die ganze Garderobe haben.
»Ich würde sie vielleicht für dreißig Euro nehmen«, dachte meine Frau laut nach.
»Nimm sie für zwanzig! Wir können diese Kleider nicht mehr sehen!«, riefen die Verkäuferinnen laut und lachten.
TIPP:
Nirgendwo macht das Feilschen so viel Spaß wie auf dem großen türkischen Gemüsemarkt am Maybachufer zwischen Kreuzberg und Neukölln. Lassen Sie sich nicht von den Schreien »Zehn Kilo Bananen für ein Euro!« beeindrucken. Mit genug Ausdauer kriegen Sie dieselben auch für 50 Cents und mit etwas Glück einen Opel Kadett noch obendrauf.
Die Kriminalität
Die Kriminalität in der deutschen Hauptstadt stagniert seit Jahren. Die Kriminalstatistik wird hauptsächlich mit Prügeleien, Drogenverkauf, Ehren- und Rufmorden gefüttert. Mal wird ein Fahrrad geklaut, mal die Nachbarwohnung angezündet, mal eine Oma überfahren. Banditen, Gangster, Russenmafia oder Straßendiebe sind selten, und wenn man einem begegnet, merkt man es gar nicht. Die Spezies der Taschendiebe, die zu jeder anständigen Touristenstadt gehört, ist in Berlin fast ausgestorben, weil die Berliner und die Gäste der Hauptstadt nur Müll in ihren Taschen haben: Taschentücher, Lippenstifte, Wohnungsschlüssel, Zigaretten oder Tabak. Manchmal befinden sich noch angebissene vertrocknete Brezeln und nicht bezahlte Stromrechnungen in ihren Taschen.
Einen Batzen Geld in einer
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