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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Arbeitskleidung und ohne Make-up, konnte man sie kaum auseinanderhalten. »Lasst uns anfangen.«
    Margaret schaltete den Ventilator ein. »Hoffentlich lässt uns das Ding nicht ausgerechnet heute Nacht im Stich.«
    Wir legten die Schürzen an und schrubbten den Raum, dann öffnete Mom den Leichensack. Für Mrs Anderson hatten sie nicht viel getan, aber Jeb Jolley hatten Ron und die Gerichtsmediziner des Bundesstaats so oft untersucht und gewaschen, dass er stark nach Desinfektionsmitteln roch. Als wir die Leiche aus dem Sack rollten und auf dem Tisch zurechtlegten, wallte mit etwas Verspätung auch der Verwesungsgestank heraus. Der Tote hatte einen riesigen, wie ein Y geformten Einschnitt von Schulter zu Schulter, der bis zur Mitte des Brustkorbs reichte. Bei einer gewöhnlichen Autopsie wäre der Schnitt bis hinab zum Schritt vorgenommen worden, doch hier verlor er sich irgendwo unterhalb der Rippen, weil es dort nur noch Trümmer von Knochen und Risse gab. Die Ränder der Öffnung waren runzlig und teilweise vernäht, aber große Teile der Haut fehlten. Aus dem Loch im Bauch ragte die Ecke eines Plastikbeutels hervor.
    Ich dachte sofort an Jack the Ripper, einen der ersten amtlich beurkundeten Serienmörder. Er hatte seine Opfer meist so sehr verstümmelt, dass man sie kaum noch erkennen konnte.
    Hatte ein Serienmörder Jeb Jolley angegriffen? Das war gut möglich, aber welche Art von Serienmörder wäre es dann gewesen? Das FBI unterschied zwischen organisierten und nicht organisierten Tätern. Ein organisierter Mörder war jemand wie Ted Bundy – höflich, charmant und intelligent. Er plante seine Taten genau und vertuschte sie hinterher so gut wie möglich. Ein nicht organisierter Mörder war jemand wie der Sohn des Sam, der gegen übermächtige Zwänge ankämpfte, um jäh und brutal zu töten, sobald die Dämonen die Oberhand gewannen. Er hatte sich selbst Mr Monster genannt. Wer hatte Jeb getötet, der Raffinierte oder das Ungeheuer?
    Seufzend verwarf ich diese Gedanken. Ich war schon immer von Serienmördern besessen gewesen, und dies war nicht das erste Mal, dass ich darauf brannte, in meiner Heimatstadt einen zu entdecken. Ich musste mich auf die Leiche selbst konzentrieren und sie so nehmen, wie sie war, statt mir irgendetwas einzureden.
    Margaret klappte den Bauchraum auf, und darin kam ein großer Plastikbeutel mit den meisten inneren Organen zum Vorschein. Die Organe wurden im Verlauf einer Autopsie meist ohnehin entfernt. In Jebs Fall waren sie allerdings bereits während seines Todes oder schon kurz davor herausgerissen worden. Margaret stellte den Beutel auf einen Rollwagen und fuhr damit zum Tisch an der Wand, um sich dort um die Organe zu kümmern. Sie waren voller Galle und anderem Müll, mit dem die Einbalsamierungsflüssigkeit nicht zurechtkäme. Deshalb musste alles herausgesaugt werden. Bei einer normalen Einbalsamierung machten wir das erst, nachdem wir das Formaldehyd hineingepumpt hatten. Das Schöne bei einer Autopsieleiche war, dass man gleichzeitig einbalsamieren und an den Organen arbeiten konnte. Mom und Margaret arbeiteten schon so viele Jahre zusammen, dass sie sich geschmeidig bewegten und kaum redeten.
    »Du hilfst mir, John«, sagte Mom, während sie nach dem Desinfektionsmittel griff. Sie war viel zu perfektionistisch, um auf das Waschen eines Toten zu verzichten, bevor sie ihn einbalsamierte. Selbst wenn er so sauber war wie dieser. Die Körperhöhle war groß und leer, Herz und Lungen waren allerdings noch größtenteils intakt, und Jebs Bauch sah aus wie ein luftleerer blutiger Ballon. Mom wusch zuerst den Bauch und bedeckte ihn dann mit einem Laken.
    Auf einmal kam mir ein Gedanke. Die Organe hatten am Tatort auf einem Haufen gelegen. Nur wenige Mörder blieben nach der Tat noch länger am Tatort. Mit Ausnahme von Serienkillern. Manchmal setzten sie die Leiche in Positur, entstellten sie oder spielten mit ihr wie mit einer Puppe. Das nannte man die Ritualisierung des Tötens, und so etwas war auch mit Jebs inneren Organen geschehen.
    Vielleicht war es doch ein Serienkiller gewesen. Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben, und hielt den Toten fest, während Mom ihn mit Desinfektionsmittel einsprühte.
    Jeb war kein kleiner Mann gewesen, und jetzt, mit einer zähen Flüssigkeit gefüllt, waren seine Gliedmaßen noch dicker und schwerer als zu Lebzeiten. Als ich mit einem Finger seinen Fuß eindrückte, hielt sich die Delle mehrere Sekunden lang und glättete

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