Ich bin kein Serienkiller
sich nur langsam wie bei einem Marshmallow.
»Hör auf zu spielen«, ermahnte mich Mom. Wir wuschen den Toten und nahmen dann das Laken von seiner Bauchhöhle. Sein Inneres war mit Fett gesprenkelt. Von seinem Kreislauf war noch genug übrig, um die Pumpe einzusetzen, aber er hatte auch eine Menge offener Wunden und Lecks, durch die Flüssigkeit und Druck verloren gehen würden. Diese Löcher mussten wir zuerst verschließen.
»Hol mir Bindfaden«, verlangte Mom. »Ungefähr fünfundzwanzig Zentimeter lange Stücke.« Ich zog die Plastikhandschuhe aus und warf sie in den Müll, dann schnitt ich die Fäden zurecht. Mom griff in die Bauchhöhle und suchte nach den großen Arterien, und immer wenn sie eine gefunden hatte, reichte ich ihr ein Stück Bindfaden, und sie verschnürte das Blutgefäß. Während wir damit beschäftigt waren, schaltete Margaret die Saugpumpe ein und entfernte nacheinander den ganzen Abfall aus den Organen. Sie benutzte dazu einen Trokar. Das ist im Grunde nur eine Hohlnadel mit einem Skalpell am Ende. Sie stieß das Gerät nacheinander in die Organe und saugte den Dreck heraus.
In der Brusthöhle ließ Mom eine Vene und eine Arterie offen, damit sie die Pumpe und den Abfluss anschließen konnte. Es war nicht nötig, die Schulter aufzuschneiden, wenn der Killer für uns schon den Brustraum freigelegt hatte. Dieses Mal kam als Erstes ein Gerinnungsmittel in die Pumpe, das langsam durch den Körper sickern und alle restlichen Löcher verschließen sollte. Dabei tropfte aus winzigen Adern, die zu klein waren, um sie von Hand zu verschließen, einiges in die Bauchhöhle, aber das hörte bald auf, sobald das Gerinnungsmittel wirkte und den Körper versiegelte.
Während wir warteten, betrachtete ich die Risse im Bauch. Sie konnten durchaus von einem Tier herrühren, und auf der linken Seite entdeckte ich etwas wie die Abdrücke von Krallen – vier unregelmäßige Schlitze im Abstand von etwa zwei Zentimetern, die an der Seite dreißig Zentimeter weit in Richtung Bauch verliefen. Das waren natürlich die Spuren des Dämons, aber das war uns damals noch nicht bekannt. Wie hätten wir es auch wissen sollen? Damals ahnte niemand, dass Dämonen tatsächlich existieren. Ich legte die Hand darauf und schätzte, dass das Wesen, das dem Toten diese Risse zugeführt hatte, erheblich größere Pranken besaß als ich. Mom beobachtete mich mit gerunzelter Stirn und wollte anscheinend gerade etwas sagen, als Margaret verärgert knurrte.
»Verdammt, Ron!«, rief Margaret. Sie hatte ohnehin nicht viel für den Gerichtsmediziner übrig. Ich achtete nicht auf sie und betrachtete wieder die Abdrücke der Krallen.
»Was ist los?« Mom trat an die Seite ihrer Schwester.
»Da fehlt eine Niere«, sagte Margaret, was sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Serienkiller bewahrten oft Andenken an ihre Opfer auf, und Körperteile gehörten zu den liebsten Erinnerungsstücken. »Zweimal habe ich den Beutel durchsucht«, schimpfte Margaret. »Ron sollte doch in der Lage sein, uns sämtliche Organe zu schicken.«
»Vielleicht war sie von vornherein nicht da«, wandte ich ein. Die beiden sahen mich groß an, und ich ging lässig darüber hinweg. »Vielleicht hat der Mörder sie mitgenommen.«
Mom runzelte die Stirn. »Das ist …«
»Das ist gut möglich«, unterbrach ich sie. Aber wie konnte ich den Zusammenhang erklären, ohne Serienkiller zu erwähnen? »Du hast doch die großen Krallenabdrücke gesehen, Mom. Wenn ein Tier die Eingeweide zerfetzt hat, dann liegt es doch nahe, dass es auch etwas gefressen hat, wenn es schon einmal dabei war.« Das klang einleuchtend, aber ich wusste, dass es kein Tier gewesen war. Einige Schnitte waren viel zu präzise gesetzt, und der Haufen der Eingeweide war viel zu ordentlich gewesen. Vielleicht ein Serienkiller, der zusammen mit seinem Hund auf die Jagd ging?
»Ich sehe mal in der Akte nach.« Mom pellte sich die Handschuhe ab und warf sie in den Müll, dann ging sie nach vorn. Margaret wühlte unterdessen noch einmal im Beutel herum, gab es aber kopfschüttelnd wieder auf. Die Niere war einfach nicht da. Ich konnte kaum noch an mich halten.
Mom kehrte mit einer Kopie der Papiere zurück, die Lauren dem Gerichtsmediziner gegeben hatte. »Unter Bemerkungen heißt es hier: ›Linke Niere fehlt.‹ Kein Wort, dass sie das Organ als Beweismittel oder für weitere Tests behalten haben. Es fehlt einfach. Vielleicht hat man ihm früher schon mal eine Niere entfernt oder so.«
Margaret
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