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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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lang wanderte Robert Neville mit zitternden Beinen in der Nachbarschaft herum. Immer wieder rief er, leider vergebens: »Komm her, mein Junge, komm doch!«
    Endlich stolperte er heim. Sein Gesicht war eine Maske hoffnungsloser Verzweiflung. Nach all dieser langen Zeit war er endlich auf ein lebendes Wesen gestoßen, das sein Gefährte hätte werden können, und dann musste er es wieder verlieren. Und wenn es auch nur ein Hund war. Nur ein Hund? Für Robert Neville war er plötzlich die Krone der Schöpfung.
    Er konnte weder essen noch trinken. Der Schock und der Verlust von etwas, das ihm hätte gehören können, machten ihn so schwach, dass er sich niederlegen musste. Aber schlafen konnte er nicht. Er bebte wie im Schüttelfrost und wälzte sich unruhig von Seite zu Seite.
    »Komm her, Junge«, murmelte er immer aufs Neue, ohne dass es ihm überhaupt bewusst war. »Komm her, mein Junge, ich tu dir doch nichts.«
    Am Nachmittag suchte er erneut. Zwei Blocks von seinem Haus entfernt sah er sich in jeder Richtung um, in jedem Vorgarten, Hinterhof, jeder Straße, in jedem Haus. Aber er fand den Hund nicht.
    Als er heimkam, etwa gegen siebzehn Uhr, stellte er eine Schüssel mit Milch vor die Tür und legte einen aufgetauten rohen Hamburger daneben, und ringsherum um alles einen Knoblauchkranz, in der Hoffnung, dass die Vampire sich dann davon fernhalten würden.
    Erst später kam es ihm, dass ja auch der Hund infiziert sein musste und deshalb der Knoblauch auch ihn fernhalten würde. Und da war schon wieder etwas, das er nicht verstand. Wenn der Hund den Bazillus hatte, wieso konnte er dann im Tageslicht herumlaufen? Außer, natürlich, er hatte nur wenige dieser Teufelsdinger im Blut, dass er noch nicht richtig krank davon war. Doch wenn es so war, wie hatte er dann die nächtlichen Angriffe überleben können?
    O mein Gott, dachte er erschrocken, was ist, wenn er heute Nacht zurückkommt, um sich das Fleisch zu holen, und die Bastarde bringen ihn um? Was, wenn der arme Kerl morgen tot draußen auf dem Rasen liegt? Dann wäre ich an seinem Tod schuld. Nein, das hielte ich nicht aus, dachte er elend. Ich würde mir eine Kugel in den Kopf jagen, ja, das schwöre ich!
    Mit diesem Gedanken quälte ihn wieder das endlose Rätsel, weshalb er überhaupt weiterlebte. Na gut, jetzt hatte er eine lohnende Beschäftigung, seine Experimente mochten vielleicht doch noch Nutzen bringen. Aber trotzdem war das Leben eine trostlose Heimsuchung. Obwohl er alles hatte bzw. alles haben konnte - außer, natürlich, einem anderen Menschen -, war das Leben leer für ihn, und es sah nicht so aus, ob sich das ändern, als ob es sich verbessern würde. So wie die Dinge standen, würde sein Leben immer so weitergehen wie jetzt, bis er an Altersschwäche starb - und bis dahin mochten noch dreißig oder vierzig Jahre vergehen. Es konnte natürlich auch sein, dass er sich zu Tode soff.
    Daran zu denken, dass es noch vierzig Jahre wie jetzt weitergehen könnte, ließ ihn schaudern.
    Und trotzdem hatte er sich nicht selbst das Leben genommen. Allerdings hatte er sich nicht übermäßig um sein leibliches Wohlergehen gekümmert. Er aß nicht regelmäßig und vielleicht auch zu wenig, er schlief nicht richtig - aber tat er überhaupt etwas richtig? -, und er trank zu viel. Auf diese Weise würde er sich seine Gesundheit nicht auf die Dauer erhalten können.
    Doch nicht richtig auf die Bedürfnisse seines Körpers zu achten war noch lange nicht Selbstmord. Er hatte nie einen Selbstmordversuch unternommen. Warum eigentlich nicht?
    Darauf schien es keine Antwort zu geben. Er hatte sich mit nichts abgefunden, hatte sich an das Leben, das zu führen er gezwungen war, nicht gewöhnt, sich ihm nicht wirklich angepasst. Und doch lebte er noch, acht Monate, nachdem das letzte Opfer der Seuche sein Leben ausgehaucht hatte, neun, seit er zum letzten Mal mit einem anderen Menschen gesprochen hatte, und zehn, seit Virginia gestorben war. Und obwohl er keine Zukunft und eine so gut wie hoffnungslose Gegenwart hatte, machte er weiter.
    War es Instinkt? Oder war er nur ganz einfach dumm? Zu fantasielos, sich umzubringen? Weshalb hatte er es nicht gleich am Anfang getan, als alles über ihm zusammenbrach? Was hatte ihn dazu veranlasst, das Haus zur Festung zu machen, sich einen Gefrierschrank - ein Riesending! - anzuschaffen, einen Generator, einen Elektroherd, einen Wassertank, eine Werkbank, sich ein Treibhaus zu bauen, die Häuser links und rechts abzureißen,

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