Ich bin Legende
Oder waren sie ganz einfach zu dumm dazu? Ihre Gehirne konnten ja gar nicht mehr so funktionsfähig sein wie früher. Zweifellos hatte die Verwandlung vom Lebenden zum Untoten eine Menge Gehirnzellen zerstört.
Nein, diese Theorie taugte nicht viel, denn es trieben sich des Nachts ja auch Lebende um das Haus herum. Ihre Gehirne waren noch intakt, oder nicht?
Aber er war nicht in der Stimmung, sich jetzt über Probleme den Kopf zu zerbrechen. Den Rest des Vormittags verbrachte er mit der Herstellung von Knoblauchketten, die er dann auch gleich gegen die alten ums Haus herum austauschte. Flüchtig dachte er wieder einmal über die Tatsache nach, dass Knoblauch wahrhaftig Vampire vertrieb. In den Legenden sollten es jedoch hauptsächlich die Blütendolden gewesen sein. Er zuckte die Achseln. Spielte es eine Rolle? Er nahm an, dass die Blüten die gleiche Wirkung auf die Vampire hatten.
Nach dem Mittagessen setzte er sich vor das Guckloch und blickte zu den Schüsseln und dem Teller hinaus. Von dem leisen Summen der Klimaanlagen in Schlafzimmer, Bad und Küche abgesehen, war nicht der leiseste Laut zu hören.
Der Hund kam gegen sechzehn Uhr. Neville war am Guckloch fast eingenickt. Er blinzelte heftig, als er den Hund entdeckte, wie er über die Straße humpelte und mit weiß umringten wachsamen Augen auf das Haus spähte. Neville fragte sich, was der Pfote des Hundes wohl fehlen mochte. Er hätte sie ihm gern verarztet und des Hundes Zuneigung gewonnen - wie Androclus die des Löwen, dachte er feixend.
Er zwang sich, ganz still sitzen zu bleiben und den Hund nur zu beobachten. Es war fast unglaublich, wie warm es ihm ums Herz wurde und wie das Leben gleich wieder normal zu sein schien, nur beim Anblick des Tieres, das die Milch schlabberte und sichtlich genussvoll kauend den Hamburger fraß. Ein zärtliches Lächeln erhellte Nevilles Gesicht, ein Lächeln, dessen er sich nicht bewusst war. Es war ein so netter Hund!
Er schluckte krampfhaft, als das Tier fertig war und sich daran machte, die Veranda zu verlassen. Hastig sprang er auf und rannte zur Haustür. Aber dann beherrschte er sich doch. Nein, das darfst du nicht, mahnte er sich widerstrebend. Du erschreckst ihn nur, wenn du hinausgehst. Lass ihn jetzt in Ruhe! Lass ihn gehen!
Er kehrte zum Guckloch zurück und blickte dem Hund nach, der über die Straße humpelte und wieder zwischen den beiden gleichen Häusern verschwand. Seine Kehle schnürte sich zusammen. Ist schon gut, tröstete er sich. Er kommt bestimmt wieder.
Mit dem Gedanken wandte er sich vom Guckloch ab und mixte sich einen leichten Drink. Er nippte nur davon, nachdem er es sich in seinem Sessel bequem gemacht hatte, und fragte sich, wo der Hund wohl die Nacht verbrachte. Zuerst machte er sich große Sorgen um ihn. Bei ihm im Haus wäre es des Nachts sicher. Aber dann wurde ihm doch klar, dass der Hund es im Verstecken zur Meisterschaft gebracht haben musste, sonst würde er längst nicht mehr leben.
Vermutlich war das eine der Launen der Natur, die sich in keine Wahrscheinlichkeitsrechnung einbeziehen ließ. Irgendwie, durch Glück oder Zufall und gewiss auch Schlauheit und Geschick, hatte dieser eine Hund die Seuche und ihre grauenvollen Opfer überlebt.
Das führte zu einem neuen Gedankengang. Wenn ein Hund, mit doch gewiss geringer Intelligenz, das alles überstehen konnte, müsste da nicht ein Mensch mit Verstand umso mehr Überlebenschancen haben?
Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. Es war gefährlich, zu hoffen. Damit hatte er sich längst abgefunden.
Am nächsten Morgen kam der Hund wieder. Diesmal öffnete Robert Neville die Haustür und trat auf die Veranda. Sofort ließ der Hund sein Fressen im Stich. Er legte das rechte Ohr zurück und hastete hinkend über die Straße.
Neville brannte danach, ihn zu verfolgen, doch er setzte sich, so gleichmütig er es fertigbrachte, auf den Rand der Veranda.
Der Hund verschwand wieder zwischen den beiden Häusern. Nach einer Viertelstunde kehrte Neville ins Haus zurück.
Er frühstückte, dann stellte er frisches Futter für den Hund auf die Veranda.
Um sechzehn Uhr ließ der Hund sich erneut sehen. Diesmal ging Neville erst hinaus, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Hund mit dem Fressen fertig war.
Auch diesmal floh der Hund, aber als er feststellte, dass er nicht verfolgt wurde, hielt er an der anderen Straßenseite an und blickte flüchtig zurück.
»Ist schon gut, Junge«, rief Neville. Seine Stimme schien den Hund
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