Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Organisation Jamaat-e-Islami , die an vielen Universitäten in Pakistan großen Einfluss hatte. Ihre Lieblingsbeschäftigung war es, Musikkonzerte an den Unis zu sabotieren. Sie vertraten und vertreten noch immer äußerst intolerante Ansichten. Die Partei hatte General Zia nahegestanden und hatte bei den Wahlen schlecht abgeschnitten. Der Vorsitzende ihrer Studentengruppe am Jehanzeb-College war Ihsan ul-Haq Haqqani. Obwohl er und mein Vater große Rivalen waren, bewunderten sie einander und wurden später Freunde. Haqqani war davon überzeugt, dass mein Vater Vorsitzender des PSF geworden wäre, hätte er einer Khan-Familie angehört. Studentenpolitik konnte man hauptsächlich mit guten Diskussionen und Charisma betreiben, Parteipolitik aber erforderte Geld.
Bei einer ihrer hitzigsten Debatten in jenem ersten Jahr ging es um einen Roman.
Die Satanischen Verse
von Salman Rushdie waren eine Parodie auf den Propheten, die in Bombay spielte. Das Buch rief bei Muslimen eine so große Entrüstung hervor, dass die Menschen kaum noch von etwas anderem sprachen.
Das Merkwürdige war, dass zunächst niemand die Veröffentlichung des Romans bemerkt hatte – er wurde in Pakistan auch gar nicht verkauft. Dann aber erschien in unseren Urdu-Zeitungen eine Reihe von Artikeln, verfasst von einem Mullah, der dem militärischen Geheimdienst ISI verbunden war. Er verurteilte das Buch als Verunglimpfung des Propheten und sagte, es sei die Pflicht aller guten Muslime, dagegen zu protestieren.
Bald verdammten die Mullahs in ganz Pakistan die
Satanischen Verse
und forderten ein Verbot des Romans. Es kam zu wütenden Demonstrationen, die gewaltsamste fand am 12 . Februar 1989 in Islamabad statt, als US -Flaggen vor dem Amerikanischen Kulturzentrum angezündet wurden (obwohl Rushdie ein britisch-indischer Schriftsteller ist und auch sein Verlag in London seine Basis hat). Die Polizei schoss in die Menge, fünf Menschen wurden getötet.
Der Zorn beschränkte sich nicht auf Pakistan. Zwei Tage später erließ Ayathollah Khomeini, das geistliche Oberhaupt des Iran, eine Fatwa, ein islamisches Urteil, worin er zur Ermordung Rushdies aufforderte.
Im College meines Vaters fand in einem überfüllten Saal eine hitzige Debatte statt. Die einen verlangten, Rushdies Werk müsse verboten, es müsse verbrannt und die Fatwa befolgt werden. Auch mein Vater sah in dem Roman eine Diffamierung des Islam, aber er propagierte die Redefreiheit und wandte ein, die Reaktion müsse auf geistiger Ebene erfolgen. »Lasst uns das Buch erst einmal lesen, und warum dann nicht mit unserem eigenen antworten?«, schlug er vor. »Ist der Islam eine so schwache Religion, dass er kein Buch erträgt, das gegen ihn geschrieben wurde?«, wetterte er in der Debatte. »
Mein
Islam nicht!«
***
In den ersten Jahren nach seinem Examen am Jehanzeb arbeitete mein Vater als Englischlehrer an der Swat Public School, einem bekannten Privat-College. Aber das Gehalt war niedrig, nur 1600 Rupien im Monat, ungefähr 14 Euro, und meine Großmutter, die zweite Frau meines Großvaters, klagte, mein Vater trage weder etwas zum Haushalt bei noch zu der Hochzeit, die er sich mit seiner geliebten Tor Pekai erhoffte.
Ein Kollege meines Vaters war Mohammad Naeem Khan. Beide hatten ihren Bachelor und ihren Master am Jehanzeb-College gemacht und traten leidenschaftlich für Bildung ein. Naeem verlor 1993 , nach einem Streit mit der Verwaltung der Swat Public School, seine Arbeit, und daraufhin beschlossen mein Vater und er, eine eigene Schule zu gründen.
Mein Vater konnte gar nicht schnell genug kündigen. Das College, an dem er unterrichtete, war sehr streng, die Führung zudem sehr engstirnig. Weder den Studenten noch den Lehrern war eine eigene Meinung gestattet. Die Kontrolle durch die Betreiber war so strikt, dass sie aus Angst vor abweichenden Meinungen sogar Freundschaften unter den Lehrern misstrauisch betrachteten. Mein Vater sehnte sich nach der Freiheit, von der er glaubte, dass sie sich einstellen würde, sollte er erst eine eigene Schule leiten. Er wollte vor allem unabhängiges Denken lehren, denn es war ihm verhasst, dass das gegenwärtige System Gehorsam über Neugierde und Kreativität stellte. Die Studenten mussten ihre Briefe sogar mit »Ihr gehorsamster Student« unterschreiben.
Er und sein Freund Naeem wollten die Art und Weise ändern, wie Kinder unterrichtet wurden. Ursprünglich hatten sie in Shahpur, dem Nachbarort von Barkana, eine Schule eröffnen wollen,
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