Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Schule erzählte ich von den Kindern auf dem Müllberg und dass wir ihnen helfen sollten. Damit waren nicht alle einverstanden. Sie meinten, die Kinder vom Müllberg seien schmutzig und bestimmt krank. Sicher würden die Eltern nicht wollen, dass sie mit solchen Kindern zur Schule gingen. Außerdem sagten sie, es sei nicht unsere Aufgabe, dieses Problem zu lösen.
Das sah ich anders: »Wir können doch nicht dasitzen und hoffen, dass die Regierung etwas unternimmt. Das wird sie niemals tun. Aber wenn ich ein oder zwei Kinder unterstützen kann und die nächste Familie auch ein oder zwei Kinder und die nächste Familie wieder zwei, können wir ihnen allen helfen.«
Ich wusste, dass es völlig sinnlos war, an Musharraf zu appellieren. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass es in Situationen, in denen auch mein Vater nichts tun konnte, nur eine Möglichkeit gab. Ich schrieb einen Brief an Gott.
»Lieber Gott«, fing ich an. »Ich weiß, du siehst alles, aber es geschehen so viele Dinge, und da übersieht man vielleicht manchmal etwas, vor allem jetzt, mit den ganzen Bomben in Afghanistan. Ich glaube nicht, dass du glücklich wärst, wenn du sehen würdest, dass diese Kinder in meiner Straße auf einer Müllkippe leben. Gott, bitte gib mir Kraft und Mut und mach mich vollkommen, weil ich diese Welt vollkommen machen will. Malala.«
Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, wie ich Gott den Brief zukommen lassen sollte. Irgendwie hatte ich die Vorstellung, er müsste ganz tief hinunter in die Erde. Also vergrub ich ihn zuerst im Garten. Dann dachte ich, da wird er zerstört, also steckte ich ihn in eine Plastiktüte. Aber das kam mir auch nicht sehr sinnvoll vor. Wir übergeben heilige Schriften manchmal dem fließenden Wasser, also rollte ich den Brief zusammen, band ihn an ein Stück Holz, legte eine Löwenzahnblüte darauf und warf ihn ins Wasser. Das floss schließlich direkt in den Swat-Fluss. Dort würde Gott ihn sicher finden.
7
Der Mufti, der versuchte, unsere Schule zu schließen
D irekt vor der Schule in der Khushal Street, wo ich geboren wurde, stand das Haus eines großen, gut aussehenden Mullahs und seiner Familie. Er hieß Ghulamullah und gab sich als Mufti aus, was bedeutet, dass er ein islamischer Gelehrter und eine Autorität im islamischen Recht ist – auch wenn mein Vater sagt, dass sich jeder als Maulana oder Mufti bezeichnen kann, der einen Turban trägt.
Die Schule warf Gewinne ab, und mein Vater baute in der Jungenoberschule einen imposanten Empfangsraum mit einem Torbogen als Eingang. Meine Mutter konnte sich zum ersten Mal in ihrem Leben schöne Kleidung kaufen und sogar Essen nach Hause kommen lassen, so wie sie es sich damals im Dorf immer erträumt hatte.
Der Mufti beobachtete uns die ganze Zeit. Tag für Tag sah er die Mädchen in unserer Schule ein und aus gehen, was ihn erzürnte. Aber er wurde noch wütender, als er sah, dass ein paar dieser Mädchen schon Teenager waren. »Wir sind dem Maulana ein Dorn im Auge«, bemerkte mein Vater schließlich. Und er hatte recht.
Kurz darauf ging der Mufti zu jener Frau, der das Grundstück gehörte, auf dem die Schule stand, und sagte: »Die Schule, die Ziauddin in Ihrem Gebäude betreibt, ist haram, sie widerspricht dem Islam. Er bringt Schande über unsere mohalla, unsere Nachbarschaft. Diese Mädchen sollten Purdah einhalten.« Und er fuhr fort: »Sie müssen ihm die Schule wegnehmen, dann miete ich das Gebäude für meine Madrasa an. Wenn Sie das tun, bekommen Sie eine gute Miete und außerdem reichen Lohn in der nächsten Welt.«
Sie weigerte sich, auf dieses Angebot einzugehen, und schickte heimlich ihren Sohn zu meinem Vater. »Der Maulana startet eine Kampagne gegen Sie«, warnte der. »Wir geben ihm das Gebäude nicht, aber Sie müssen aufpassen.«
Mein Vater wurde wütend und erwiderte: »So wie wir sagen:
nim hakim khatrai jan,
ein halber Doktor ist eine Gefahr für das Leben, so gilt auch:
nim mullah khatrai iman
– ein Mullah, der nicht ausgelernt hat, ist eine Gefahr für den Glauben.«
Ich bin stolz darauf, dass unser Land als weltweit erstes Heimatland für Muslime gegründet wurde, aber wir sind immer noch nicht mit dem einverstanden, was das beinhaltet. Der Koran lehrt uns
sabar ,
Geduld, aber häufig scheint mir, dass wir diesen Begriff völlig vergessen haben. Wir denken nur noch an Dschihad und Purdah. Wir denken, Islam bedeutet, die Frauen tragen Burka und hocken zu Hause, und die Männer ziehen in den Heiligen
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