Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Krieg.
In meiner Heimat gibt es aber viele islamische Strömungen.
Muhammad Ali Jinnah wollte, dass die Rechte der Muslime in Indien anerkannt werden. Der Hauptteil der indischen Bevölkerung waren Hindus. Es war wie eine Fehde zwischen zwei Brüdern, die sich darauf geeinigt hatten, in verschiedenen Häusern zu wohnen.
Also wurde das britische Indien schließlich geteilt, und am 14 . August 1947 , um Mitternacht, wurde ein unabhängiger muslimischer Staat geboren. Es hätte kein blutigerer Anfang sein können. Millionen Muslime überquerten die Grenze von Indien aus, und Millionen Hindus gingen in die andere Richtung. Fast zwei Millionen Menschen verloren bei dem Versuch, die neue Grenze zu überqueren, ihr Leben. Viele von ihnen wurden in Zügen abgeschlachtet, die voll mit blutigen Leichen in Lahore oder Delhi eintrafen. Mein eigener Großvater entkam damals nur knapp dem Tod, als sein Zug auf dem Nachhauseweg von Delhi, wo er studiert hatte, von Hindus überfallen wurde.
Heute sind wir ein Volk von 180 Millionen Menschen, und unser Land ist zu 96 Prozent muslimisch. Außerdem leben bei uns über zwei Millionen Christen und mehr als zwei Millionen Ahmadis, die sich ebenfalls als Muslime sehen, auch wenn unsere Regierung das leugnet. Leider werden diese religiösen Gemeinschaften oft Opfer von Angriffen.
Jinnah hatte als junger Mann in London gelebt, wo er Jura studierte und sein Examen als Barrister abschloss. Er wünschte sich ein tolerantes Land. Bei uns wird oft die berühmte Rede zitiert, die er ein paar Tage vor unserer Unabhängigkeit hielt. Er sagte: »In diesem Staate Pakistan steht es Ihnen frei, in Ihre Tempel zu gehen, es steht Ihnen frei, in Ihre Moscheen zu gehen oder in jeden anderen Ort der Anbetung. Sie mögen irgendeiner Religion oder Kaste oder Überzeugung angehören – dies hat nichts mit der Aufgabe des Staates zu tun.«
Mein Vater meint, das Problem sei, dass Jinnah zwar Grund und Boden für uns ausgehandelt hätte, aber keinen Staat. Er starb nur ein Jahr nach der Gründung Pakistans an Tuberkulose, und seitdem haben wir nicht aufgehört zu kämpfen. Wir haben drei Kriege gegen Indien geführt, und auch das Töten in unserem eigenen Land hört nicht auf.
Es gibt unter den Muslimen Sunniten und Schiiten – wir teilen denselben fundamentalen Glauben und dasselbe heilige Buch des Korans, aber wir streiten darüber, wer der Richtige war, um unsere Religion zu führen, nachdem der Prophet im 7 . Jahrhundert gestorben war. Der Mann, der zum Kalifen oder Führer ernannt wurde, war Abu Bakr, ein naher Freund und Ratgeber des Propheten und jener Mann, den er auf dem Sterbebett ausgewählt hatte, um die Gebete zu leiten. Das Wort »Sunnit« entstammt dem Arabischen und bedeutet »Einer, der den Traditionen des Propheten folgt«. Eine kleinere Gruppe jedoch war der Meinung, die Führung hätte in der Familie des Propheten bleiben und Ali, sein Schwiegersohn und Vetter, hätte diese übernehmen sollen. Sie wurden als Schiiten oder Shias bekannt, Abkürzung für »Shia-t-Ali – Partei des Ali«. So jedenfalls habe ich es in der Schule gelernt.
Die Schiiten gedenken der Ermordung von Hussein ibn Ali, dem Enkel des Propheten, in der Schlacht von Karbala 680 n. Chr. mit einem Trauerfest namens
muharrum.
Sie schlagen sich selbst mit Metallketten oder an Schnüre gebundenen Rasierklingen, bis im Blutrausch die Straßen rot sind. Einer der Freunde meines Vaters ist Schiit, und er muss immer weinen, wenn er über den Tod von Hussein spricht. Seine Reaktion hätte nicht stärker sein können, wenn die Geschehnisse in Karbala in der Nacht zuvor stattgefunden hätten und nicht vor über 1300 Jahren. Jinnah, unser Staatsgründer, stammte aus einer Schiiten-Familie, und auch die Mutter von Benazir Bhutto war eine Schiitin aus dem Iran.
Die meisten Pakistaner – über 80 Prozent – sind Sunniten wie wir, aber in viele verschiedene Splittergruppierungen aufgespalten. Die mit Abstand größte Gemeinschaft sind die Barelwis, benannt nach einer Madrasa, die im 19 . Jahrhundert in Bareilly stand, einer Stadt im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Dann gibt es die Deobandis, die ihren Namen nach einer weiteren berühmten Madrasa aus dem 19 . Jahrhundert in Uttar Pradesh gewählt haben, diesmal in der Stadt Deoband. Die Deobandis sind sehr konservativ, und die meisten unserer Madaris sind Deobandi-Madaris. Nicht zu vergessen sind die Salafisten, das Volk des Hadith (Ahl-i Hadîth). Die
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