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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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war entsetzt, als mir der Lehrer zur Strafe eins mit dem Stock über die Hand zog. Doch dann sagte ich mir, dass ich demnach zumindest akzeptiert war und man mich genauso behandelte wie die anderen Schüler.
    Sechs Wochen blieben wir in Shangla. Wir mussten uns von unseren Verwandten Kleidung borgen, weil wir zu wenig dabeihatten. Mein Onkel gab mir sogar Taschengeld, damit ich mir in der Schule etwas zu essen kaufen konnte – allerdings gab es dort nur Gurken und Wassermelonen und nicht Süßigkeiten und Chips wie in Mingora.
    Einmal war in der Schule Elterntag. Es war ebenso der Tag, an dem die Schüler Preise überreicht bekamen, und alle Jungen waren aufgefordert worden, einen kleinen Vortrag zu halten. Auch einige Mädchen trugen etwas vor, aber nicht öffentlich. Sie standen in ihren Klassenzimmern und sprachen in ein Mikrofon. Ihr Vortrag wurde per Lautsprecher in den Schulsaal übertragen. Nun war ich es aber gewohnt, direkt zu den Menschen zu reden. Also ging ich hinaus in den Saal und rezitierte vor allen ein Naat, ein Lobgedicht auf den Propheten. Dann fragte ich den Lehrer, ob ich ein weiteres Gedicht vortragen dürfe. In diesem ging es darum, wie man die Wünsche seines Herzens wahr werden lassen kann, wenn man sich Mühe gibt: »Lange muss der Rohdiamant geschliffen werden, ehe aus ihm ein winziger Brillant wird«, rezitierte ich.
    Dann sprach ich über meine Namensvetterin Malalai von Maiwand, deren Kraft und Stärke der von Hunderten, ja Tausenden tapferer Männer gleichkäme, denn mit einigen wenigen Verszeilen hätte sie erreicht, dass das Schlachtenglück nun aufseiten der Paschtunen war. Durch sie seien die Briten besiegt worden.
    Die Leute im Saal schienen über meinen Auftritt etwas verwundert, und ich fragte mich, was wohl in ihren Köpfen vorgehen mochte. Dachten sie, dass ich mich aufspielen wollte? Oder waren sie mehr damit beschäftigt, warum ich keinen Schleier trug?
     
    Es war schön, mit den Kindern meines Onkels zu spielen, doch mir fehlten meine Bücher. Immer wieder musste ich an
Oliver Twist
oder
Romeo und Julia
denken, die zu Hause in meiner Schultasche darauf warteten, gelesen zu werden. Und an die
Alles-Betty!
- DVD s auf dem Regal. Doch jetzt waren wir die Protagonisten in unserem eigenen Drama. Wir waren so glücklich gewesen – und dann war auf einmal all dieses Entsetzliche in unser Leben getreten. Nun warteten wir auf unser Happy End. Und wenn ich mich wegen meiner Bücher beklagte, jammerten meine Brüder um ihre Hühner.
    Wir lebten in ständiger Sorge um meinen Vater. Aus dem Radio erfuhren wir, dass am 23 . Mai der Kampf um Mingora begonnen hatte. Soldaten waren mit Fallschirmen über der Stadt abgesprungen, in den Straßen gab es heftige und schwierige Gefechte. Die Taliban verschanzten sich in Hotels und Regierungsgebäuden, aber nach vier Tagen hatte das Militär drei Plätze unter seine Kontrolle gebracht, darunter den Green Chowk, auf dem die radikalen Taliban die Leichen derer zur Schau stellten, die sie exekutiert hatten. Als Nächstes nahm die pakistanische Armee den Flughafen ein, und nach einer Woche hatte sie die Stadt zurückerobert.
    Wir machten uns immer noch Sorgen um meinen Vater. In Shangla war es schwierig, mit unserem Handy Empfang zu bekommen. Es gab ein Feld mit einem großen Felsbrocken, auf den wir zum Telefonieren kletterten. Aber selbst dort zeigte unser Mobiltelefon selten mehr als einen Strich bei der Signalstärke an, so dass es kaum möglich war, mit meinem Vater zu sprechen.
    Irgendwann sagte er, da waren wir knapp sechs Wochen in Shangla, wir könnten nach Peshawar kommen, zusammen würde er mit drei Freunden in einem Zimmer leben.
    Das Wiedersehen war sehr bewegend. Nun war unsere Familie wieder vereint, und einmal mehr reisten wir nach Islamabad, wo wir bei Shizas Familie Unterschlupf fanden. Sie war die Studentin, die uns von Stanford aus angerufen hatte. Während unseres Aufenthalts in der Hauptstadt hörten wir, dass Richard Holbrooke, der amerikanische Gesandte für Pakistan und Afghanistan, im Serena Hotel zu Gesprächen über den Konflikt eingeladen hatte. Mein Vater und ich schafften es, hineinzukommen.
    Wir hätten das Ereignis beinahe verpasst, weil ich den Wecker nicht richtig gestellt hatte. Mein Vater redete deswegen kaum ein Wort mit mir. Holbrooke war ein großer, ruppiger Mann mit einem roten Gesicht, doch es hieß, er habe auch in Bosnien Frieden gebracht. Ich saß neben ihm, und er fragte mich, wie alt ich denn sei.

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