Ich bin Nummer Vier
ich Henri die anderen Schnitte und Abschürfungen erklären? Er würde sofort wissen, was geschehen ist. Meine Lungen schmerzen immer noch, sogar mehr als zuvor.
»Das Feuer ist also im Keller ausgebrochen?«
»Ja.«
»Und du warst im Wohnzimmer?«
»Ja.«
»Woher hast du gewusst, dass es im Keller brannte?«
»Alle sind heraufgerannt.«
»Und als du hinausgegangen bist, hast du gewusst, dass alle aus dem Haus raus sind?«
»Ja.«
»Wieso?«
Er will mich dazu bringen, dass ich mir widerspreche, er glaubt mir bestimmt nicht, dass ich einfach draußen stand und zugesehen habe wie alle anderen.
»Ich bin nicht hineingegangen.« Es tut weh, aber ich blicke ihm in die Augen und lüge.
»Ich glaube dir«, sagt Henri.
***
Es ist fast Mittag, als ich aufwache. Vögel zwitschern vor dem Fenster und die Sonne scheint herein. Ich seufze vor Erleichterung.
Wenn ich so lange schlafen darf, gibt es keine Neuigkeiten,die mich belasten könnten. Sonst hätte Henri mich aus dem Bett geholt und angeordnet, dass ich packe.
Ich stehe auf – und da schlägt der Schmerz zu. Meine Brust fühlt sich an, als würde jemand sie zusammenpressen. Ich kann nicht durchatmen. Es tut zu weh. Das macht mir Angst.
Bernie Kosar hat zusammengerollt neben mir geschlafen. Ich wecke ihn und ärgere ihn ein wenig. Zuerst schnaubt er, dann wehrt er sich. So fängt unser Tag an: Ich wecke den schnarchenden Hund neben mir, und wenn ich seinen wedelnden Schwanz, seine pendelnde Zunge sehe, geht es mir sofort besser. Der Schmerz in meiner Brust ist nicht wichtig. Und was der Tag bringen mag, spielt auch keine Rolle.
Henris Truck ist weg. Auf dem Tisch liegt ein Zettel: Bin einkaufen. Zurück um eins
.
Ich gehe nach draußen. Ich habe Kopfweh, meine Arme sind rot und fleckig, die Schnitte leicht geschwollen, als hätte mich eine Katze überall gekratzt. Das alles, auch das Brennen in meiner Brust, ist mir dennoch egal. Wichtig ist, dass ich noch hier bin, in Ohio, dass ich morgen wieder in dieselbe Schule gehe, in der ich jetzt seit drei Monaten bin. Und dass ich heute Abend Sarah sehen werde.
***
Henri kommt wirklich um Punkt eins zurück. An seiner Erschöpfung erkenne ich, dass er immer noch nicht geschlafen hat. Nachdem er die Lebensmittel ausgeladen hat, geht er direkt in sein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Bernie Kosar und ich machen einen Waldspaziergang. Ich versuche zu laufen; es gelingt mir kurz, aber nach etwa einer halben Meile ist der Schmerz zu groß. Wir gehen gemütlich ungefähr fünf Meilen. Der Wald endet an einer anderen Landstraße, die unserer gleicht. Ich kehre um. Henri ist immer noch in seinem Zimmer,die Tür weiterhin geschlossen. Ich setze mich auf die Veranda und werde nervös, sobald ein Wagen vorbeifährt. Einer könnte anhalten – aber keiner tut es.
Die Zuversicht vom Aufwachen schwindet, während der Tag vergeht. Die
erscheint sonntags nicht. Wird sie morgen einen Artikel über den Brand bringen? Vielleicht erwarte ich, dass ein Anruf kommt, dass der Reporter von gestern auf der Schwelle steht oder ein Polizist weitere Fragen stellt. Ich weiß nicht, warum ich mir solche Sorgen wegen eines mickrigen Journalisten mache, aber er war hartnäckig – zu hartnäckig. Und ich weiß, dass er meine Geschichte nicht geglaubt hat.
Aber niemand kommt. Niemand ruft an. Als entgegen meiner Erwartungen rein gar nichts geschieht, wächst die Angst nur noch mehr, dass ich enttarnt werde. »Ich bekomme die Wahrheit heraus, Mr. Smith. Das gelingt mir immer«, hat Baines gesagt. Ich könnte in die Stadt laufen, ihn suchen, ihn von einer solchen Wahrheit abbringen, aber ich verwerfe diese Gedanken sofort wieder, das würde den Verdacht nur erhärten. Ich kann nichts tun als den Atem anhalten und das Beste hoffen.
Ich war nicht in diesem brennenden Haus.
Ich habe nichts zu verbergen.
***
Sarah kommt am Abend herüber. Wir gehen in mein Zimmer. Ich liege auf dem Rücken und halte sie in meinen Armen. Ihr Kopf ruht an meiner Brust und ihr Bein auf mir. Sie stellt mir Fragen über mich, meine Vergangenheit, Lorien, die Mogadori. Es erstaunt mich immer noch, wie schnell und leicht Sarah alles geglaubt hat, wie sie es akzeptiert. Ich antworte ehrlich, das tut gut nach all den Lügen der letzten Tage. Aber beim Gesprächüber die Mogadori bekomme ich Angst. Ich fürchte, dass sie uns finden werden. Dass meine Rolle beim Brand uns ausliefern wird. Ich würde es wieder machen, denn sonst wäre Sarah nun tot, aber ich
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