Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
sie hervorgerufen hat. Wer sich darin übt, die richtigen Fragen zu stellen und auf die Antworten zu hören, wird rasch auf den Grund der Schwierigkeit stoßen. Wenn ein Kind weinend zu seiner Mutter kommt, hat sie zwei Aufgaben. Einmal muss sie sein verstörtes Kindheits-Ich trösten, zum anderen sein Erwachsenen-Ich zum Funktionieren bringen. Sie kann etwa sagen: «Ich kann sehen, dass jemand dich unglücklich gemacht hat … und es ist schwer, klein zu sein … und manchmal kann man nichts tun als weinen … kannst du mir sagen, was passiert ist? Hat jemand etwas zu dir gesagt, was dich unglücklich gemacht hat?» Sehr rasch erzählt das Kind, welche Transaktion den Kummer ausgelöst hat, und Mutter und Kind können darüber von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich reden. Manchmal stellen wir fest, dass Kinder einander ausnutzen. Zum Beispiel tauscht die große Schwester ihre Groschen gegen die Fünfziger der kleinen Schwester, weil «Zehner größer sind». Zwar tadeln wir sofort die große Schwester für diesen unfairen Handel, aber wir müssen uns fragen: «Wo hat sie das gelernt?» Vielleicht war es nur angeborener Einfallsreichtum, vielleicht aber hat sie von den Eltern gelernt: Sei schlau und sieh zu, dass du eine Menge Geld hast; eigentlich ist Geld wichtiger als Menschen (selbst als kleine Schwestern).
Wir vergessen oft, wie rasch sich unsere Werturteile in den Handlungen unserer Kinder widerspiegeln. Ein neunjähriges Mädchen verdichtete die Lebensweisheit ihrer Eltern zu folgender Dichtung: «Es war einmal ein Mädchen, das hieß Clarissa Nancy Imogene LaRose. Sie hatte eine Glatze und riesige Plattfüße. Aber sie war sehr reich, und der Rest war leicht.»
Neben der Frage: «Was ging voraus?» kann das Erwachsenen-Ich auch fragen, was hier
die
wichtige Überlegung ist. Das Eltern-Ich ist redegewandt und kann alle möglichen Gründe dafür angeben, warum man muss, soll, nicht darf usw. Dieser Redefluss trifft das kleine Kind, als käme er aus einem Wasserschlauch, und verstanden wird überhaupt nichts. Das Erwachsenen-Ich kann auswählen und nur den besten Grund nennen, nicht alle Gründe. Besonders verwirrend ist für ein Kind eine Transaktion, bei der die Eltern als Antwort auf eine Frage des Kindes umständlich
alle
Gründe aufzählen, warum es etwas nicht tun soll, statt einfach den
Hauptgrund
anzugeben. Wenn dieser Hauptgrund nicht triftig genug ist, um in einfachen Worten dargestellt zu werden, dann sollte man vielleicht die ganze Sache fallenlassen.
Eine Sechsjährige kommt mit ihren vier Freunden in die Küche. Es ist kurz nach halb eins. Die Mutter bereitet das Mittagessen zu und kostet davon. Die Sechsjährige sagt: «Mutter, können wir etwas zu essen haben?»
Die Mutter antwortet mit vollem Mund: «Nein, es gibt gleich Mittagessen. Du isst zu viel Süßigkeiten. Das ist schlecht für deine Zähne. Du wirst Plomben kriegen.» (Die Mutter hat Plomben!) «Wenn du jetzt etwas isst, schmeckt dir das Essen nicht.» (Die Mutter isst jetzt!) «Geh hinaus und spiele. Immer machst du die Küche schmutzig. Warum räumst du nie etwas auf?» Das ist eine großartige Gelegenheit für das Eltern-Ich der Mutter, die Kleine mit einer ganzen Reihe moralisierender «Außerdems» zu quälen. Die Kinder murren und gehen, und zehn Minuten später sind sie wieder da, um ihr lustiges (oder weniger lustiges) Spielchen zu wiederholen.
Der
wirkliche
Grund für die Verärgerung der Mutter war: «Warum musst du immer alle Nachbarskinder mitbringen? Ich habe es satt, alle Bonbons den Nachbarskindern zu geben. Für uns sind nie welche übrig.» In diesem Moment war das der wirkliche Grund, und es war ein stichhaltiger Grund. Aber weil sie sich nicht direkt äußern konnte, überschüttete sie ihre Tochter mit einer Lawine von allerlei Vorwürfen. Statt an dieser Art von Transaktion zu wachsen, duckt sich das Kind und beginnt Umwege (oder Irrwege) zu lernen, auf denen es das Establishment schlagen kann. Wenn «Höflichkeit» ihre Mutter daran hinderte, den wahren Grund zu nennen, dann hätte sie besser sagen sollen: «Nein – wir sprechen später noch darüber.» Dann, in Abwesenheit der anderen Kinder, hätte sie ihrem eigenen Kind die Realitäten erklären können. Oder sie hätte sich eine Nascherei ausdenken können, die auch den anderen Kindern zugute gekommen wäre, aber die «teuere» Leckerei, die Bonbons, verschont hätte.
So belud sie die Transaktion mit Widersprüchen, die das Kind veranlassen, sich zu
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