Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
das Kind zu halten, zu streicheln und zu liebkosen – ohne erst nachzuprüfen, ob das auch richtig ist. Eines der zählebigsten Vorurteile lautet, dass «man ein Baby nicht ständig hochnehmen soll, weil es dadurch verwöhnt wird». Wird diese Aufzeichnung jedes Mal abgespielt, wenn die junge Mutter ihr Kind streicheln will, dann entsteht hier deutlich ein Konflikt, den das Kind spürt. Das Erwachsenen-Ich der Mutter kann diesen dogmatischen Lehrsatz überprüfen und mit ihrer eigenen Beurteilung der Lage verarbeiten, die wohl eher besagt: Wenn man ein Baby bemuttert, solange es ein Baby ist, braucht man es nicht für den Rest seines Lebens zu bemuttern.
(Diese Vorstellungen, man könne ein Kind «verwöhnen» oder müsse ihm seine Angewohnheiten «abgewöhnen», sind mir immer so roh und grausam erschienen, dass nur irgendeine böse Stiefmutter aus dem Märchen sie erfunden haben kann in einem dunklen, dumpfen Turm irgendwo im Moor!)
Die Mutter mit einem starken Erwachsenen-Ich kann die oftmals krisenreichen Beziehungen zur Großmutter oder zur Schwiegermutter so meistern, dass die verheerenden Überkreuz-Transaktionen auf ein Minimum beschränkt bleiben. Sie kann einsehen, dass auch die Großmutter ein El-Er-K hat und dass sowohl El wie K leicht zu «locken» sind. Oder ihr Erwachsenen-Ich kann ihrer Schwiegermutter erklären, dass um den Haushalt sich ein Mädchen kümmern wird und sie, die Mutter, um das Baby. Ihr Erwachsenen-Ich kann ihr die Freiheit geben, dass sie sich einen Dreck kümmert um den Staub auf den Möbeln, während sie sich mit ihrem Kind abgibt, selbst wenn die reiche Tante Adelheid am gleichen Abend mit einem großartigen Geschenk erscheinen wird. Kurz, die jungen Eltern haben die Wahl, wie sie diese neue köstliche Einheit, ihre Familie, gestalten wollen, die aus einem jungen Kind, einem jungen Vater und einer jungen Mutter besteht.
Bei der Erziehung kleiner Kinder ist es höchst hilfreich, an der Grundanschauung ICH BIN NICHT O.K . – DU BIST O.K . festzuhalten. Das Kind ist zufrieden dank dem O.K . der Mutter. Es empfindet sich selbst als NICHT O.K ., doch solange sie O.K . ist, hat es einen Halt. Der Wert des elterlichen Streichelns entspricht genau dem Wert, den das Kind in seinen Eltern sieht. Wenn das Kindheits-Ich der Mutter hervor «gelockt» wird und sie auf der Ebene des Kindheits-Ichs in den Clinch geht mit ihrem kleinen Sohn, dann spürt der, dass seine Welt wirklich in schlechtem Zustand ist. Auf beiden Seiten steht ein NICHT O.K .-Kindheits-Ich. Wenn diese Art der Transaktion in der ersten Lebenszeit eines Menschen vorherrscht, dann ist der Boden bereitet, aus dem die Lebensanschauung ICH BIN NICHT O.K . – DU BIST NICHT O.K . hervorgeht, oder im Extremfall sogar die Grundeinstellung ICH BIN O.K . – DU BIST NICHT O.K .
Mutter und Vater (aber besonders die Mutter, da sie in den ersten Lebensjahren der einflussreichste Elternteil ist) müssen auf ihr eigenes NICHT O.K .-Kindheits-Ich achten. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Eltern, besonders Mütter, die nötige Sensibilität, die Wahrnehmungsfähigkeiten und das Interesse entwickelt haben, ein Werkzeug wie El-Er-K bei der Kindererziehung anzuwenden, ist zu erwarten, dass sich die Bösartigkeit der NICHT O.K .-Einstellung ausbreiten und verschlimmern wird. Wenn das Kindheits-Ich der Mutter eine hartnäckige NICHT O.K .-Einstellung einnimmt und sich leicht provozieren lässt von solchen Hindernissen oder Enttäuschungen wie dem Trotzverhalten eines kleinen Kindes, das ebenfalls ein NICHT O.K .-Kindheits-Ich hat, dann ist der Weg frei für die Machtergreifung des Kindheits-Ichs in der Mutter. Dies setzt eine sich rückwärts drehende Spirale von Ereignissen in Gang, wobei immer archaischere Kreisläufe sich zu einem schreiend ausgetragenen Spiel von «Meins ist besser» verengen, dessen letzte Runde die Mutter gewinnt, denn: «Ich bin größer.»
Es ist leicht einzusehen, dass der kleine Mensch nur durch das Erwachsenen-Ich zu einem besseren Lebensvollzug geführt werden kann. Doch Kinder fragen mit Recht: Wie soll ich ein Erwachsenen-Ich entwickeln, wenn die Erwachsenen, die ich kenne, so wenig erwachsen sind? Kinder lernen durch Nachahmung. Am besten kann ein kleines Kind sein Erwachsenen-Ich mit zunehmend stärkeren Sicherungen entwickeln, wenn es nicht dauernd sieht, wie bei den großen Leuten die Sicherungen durchknallen, also wenn es bei seinen Eltern beobachten kann, wie das Kindheits-Ich der Eltern offensichtlich
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