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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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da, wo er jetzt lebt, ist der Schmerz zu Hause. Vielleicht könnte die Geschwindigkeit Berlins das aufessen, das fiese Schmerzgebilde. Wenn man sich in rasanten Gegenden aufhält, vergeht der Schmerz doch in der Geschwindigkeit der Umgebung, oder? Auf nach New York, Motherfucker ... Er leidet weiter ...
    Nun, da sie fort ist, bilden sich Gedanken, manchmal in Tränenform wie kotgetränkte Sprechblasen aus der Vergangenheit. Das, was er Beziehung nannte, war doch ewig auf der Flucht vor ihm. Die Unkenntnisse in Gestalt einer Zweierbeziehung. Das macht ihn fertig und große Löcher in sein Bewusstsein. Lebendigkeit im Kummerkasten. Er ist ein Briefkasten, gefüllt mit Beschwerdebriefen und Mahnungen des Lebens. Alles an seine Adresse. Alles und immer auf die Fresse und alles ins verseuchte Herz, das doch nur versucht zu bleiben, weiter in Beständigkeit zu schlagen, nicht aufzuhören mit diesem Geschlage.
    In ihm klingelt ein selbstzitierter Beziehungsenderatgeber. Wie ein altes Telefon klingelt da die Erinnerung und einige ureigenste Gedanken zum Thema Umgang mit Selbsthass und "Was tun, wenn Apokalypse?" kommen wie frisch gezappt in die gute Gehirnstube gefegt. Das Leben kann sich auf einen stürzen wie ein ausgehungertes Raubtier, Bisse und Hautabschürfungen zufügen und dann einfach so tun, als wäre weniger als nichts gewesen. Und dann schleicht das Leben einfach so weiter, geht zitternde Schritte in Richtungen ohne Licht, das blöde, alte, ausgelaugte Leben.
    Wie konnte er denn nur erneut diesen Fehler machen, sich auf jemanden einzulassen, den er wirklich liebt? Das Desaster ist die Quittung ohne Mehrwertsteuer. Die Hölle ist bewohnbar, weiß der junge Mann, wusste er doch schon immer, und er sieht sich nicht mehr jung bleiben, sondern in seinen eigenen Augen rasant altern. Jene Mischung aus Hardcore und Personality Show bemüht freilich den heiß geliebten und zugleich verachtbaren Kitsch, der sterbenden Lieben zuweilen anhaftet. Und nun ist es ja so weit.
    Mal wieder. Aber da kommen Erinnerungen, vermehren sich im Kopf. Der junge Mann sitzt auf seinem Bett, das, wie er meint, noch in minimal wahrnehmbaren Nuancen nach ihr riecht.
    Man unterhielt sich oder vielmehr er sie, weil sie sich irgendwann für Barbie und Ken hielten. "Baby", begann er den aufkeimenden Stumpfsinn, "Baby, ich habe ihn interviewt." Sie lagen auf einer Sommerwiese, die Zärtlichkeit einiger seltsamer Pflanzen war ganz nah und gut riechend spürbar und die Gestalt der Wolken wollte unbedingt benannt sein. Ein lauer Wind überflog die Szenerie und irgendwo summten relativ nervtötend Hornissen oder andere Schädlinge durchs Universum. Das Paar hatte einen Sixpack mit gutem Bier dabei und sie genossen ihre gegenseitige Gesprächsbereitschaft. "Wen?", fragte sie und zauberte einen Kinderblick in ihr Gesicht, der jeden Pädophilen sofort hätte abspritzen lassen. "Na, den Ken, den Plastiklover der Barbie. Warte, ich les es mal vor." Sie war ganz Ohr und er erhob die Stimme. "Also, wir trafen uns im Schatten des Traumhauses und Ken war wieder mal total fertig. Wir setzten uns auf diese rosa Liegen unter diesem lila Sonnenschirm und Ken hatte zwei Weingläser mitgebracht, wovon er mir eins reichte. Unter dem Arm hatte er eine Weinflasche. Ich wollte sofort loslegen und machte das dann auch.
    Ich: Ken, Sie wirken gestresst, für einen Mann in Ihrem Alter ist das gefährlich ... Ken: Scheiße, ich weiß, aber wohin soll ich mit meinem gan- zen Seelenmüll. Immer bin ich der, der seine Fresse und seinen Arsch hinhält, ja hinhalten muss ...
    Ich: Therapiewürdiges Leben, was Sie da führen. Lassen Sie mich raten, die Frau ist schuld? Ken: Na, wer denn auch sonst! Meinen Sie, wenn ich mit den zwei anderen Kens, die hier noch irgendwo leben müss- ten, jeden Tag einen Saufen gehen könnte, dass mein Le- ben dann auch so kacke wäre? Ich: Aber, Ken, Alkohol ist keine Lösung, höchstens ein Mittel, das Sie weiter nach unten zieht ... Ken: Dessen bin ich mir durchaus bewusst, aber Realitätsver- fremdung steht grad an allererster Stelle, ich kann nicht mehr ... Kurze Pause, Ken trinkt drei Gläser Wein auf Ex, seine Gesichtszüge sind immer noch dieselben, die harte Sau verzieht keine Miene. Obwohl da eine Trauer in ihm wohnt, gegen die Stahl wie Gemüsesuppe ist. Der Mann ist am Ende ... am Ende seiner Kräfte ... Ken: Das Leben ist ein Minenfeld und Barbies Partner zu sein ist Krieg. Das tagtägliche Heraustreten aus der Sicherheit des

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