Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
man gehen kann. Die niemals gehen dürfen. Das erkannte er für sich nach drei Küssen. Von ihren Lippen regnete es keinerlei Versprechen, nur die Party des Augenblicks.
Was dann folgte, war ein glänzender Sommer für ihn, für sie war es lediglich eine gelungene Abwechslung im Wechselspiel des Geschlechterkampfs. Sie ist es gewohnt, durch ein Meer von Penissen zu waten, und sie ist es ebenso gewohnt, dass Geschlechtsorgane brennen und jucken. Der häufige Wechsel der "Organspender" hat sie kalt und dreckig gemacht. Kalt von Herzen. Und den Dreck wird sie auch nicht los, der ist überall, riecht nach irgendwas zwischen Mentalvergewaltigung und Sekundenerfüllung. Zwischen diesen beiden Polen hat sie ihr Sozialleben konstruiert und es hat sie anfangs verwirrt, schlampenartig wahrgenommen zu werden. Nur als das dann in ihr Bewusstsein kam, dass sie ja eigentlich nicht mehr ist, nie mehr sein kann als eine verdammte Schlampe, da war es nur noch ein kurzer Prozess und die Gewohnheit klebte an ihrem Körper wie die zuckenden Leiber schwanzgesteuerter Bewusstseinsloser. Sie hatte viele Geschlechtsteile in sich, zu viele, um zu erkennen, dass auch mal eine Liebe anklopfen mag, die tiefer will als in den gewöhnlichen vaginalen Gang.
Seine Liebe hielt er konstant aufrecht. Er glaubte, seinen Menschen gefunden zu haben, den Menschen, der dieses Topf-und-Deckel-Syndrom für ihn symbolisiert. Er glaubte so fest daran, dass da ein Leben ist in der Finsternis der undurchsichtigen Liebe und dass dieses Leben erfüllende Sinnlichkeit entstehen lassen kann. Kleine Feuer entzündeten sich auf seiner Haut, wenn sie ihn berührte. Und das machte auch sie gerne, denn die Haut des immer Fremden, aber durchaus unterhaltsamen Menschen war etwas Warmes. Aber auch ein Schnitzel ist was Warmes und das isst man einmal auf und will es dann nie mehr wieder sehen ...
"Die Mutter meiner Ratten ist ja so was von tot", hat sie mal gesagt und er hat sie in den Arm genommen und an den Tagen danach auch die kleinen Babys sterben sehen. Aber die beiden Menschen in Liebe haben es verwundet überstanden. Kleine Gräber in fremden Vorgärten, die sie in Nächten epochaler Trauer anlegten, sind Zeuge dieser Liebe. Einer der letzten guten Menschen. Ist er? War sie? Ist sie heute noch? Was macht eine Vogelfamilie, wenn sie erkennt, dass der Ast morsch ist, auf dem sie ihr Nest gebaut hat? Die Absturzgefahr ist allgegenwärtig. Für alle. Unsicherheit. Sicher ist nur das Ist. Mehr nicht. Lediglich das Sein für alle in allem.
Die Liebe stiehlt sich davon, geht durch die Hintertür nach Hause, wo sie ihre Kinder versorgt. Die kacken noch ins Nest und wissen nichts, außer dass sie Kinder der Liebe sind und sowieso irgendwann sterben werden. Vergänglichkeit durch alle Poren des Seins nach draußen geschwitzt. Die Kinder lachen, die Kinder lachen. Sie wissen noch nichts.
"Ich sage Sätze, die ganz nah an lebenswichtigen Organen geboren werden", flüsterte er noch, aber sie, ja sie hatte sich schon emotional so weit abgewandt, dass sie eigentlich gar nicht mehr im selben Raum war, eigentlich schon gar nicht mehr im selben Universum. Die Unendlichkeit starb in dem Augenblick als Augenblicke nicht mehr ausreichten, um ihr Leben zuzuführen, der Liebe im Dreck. Die windet sich da unten, schlängelt sich zertreten durchs Zimmer und ihr Ende naht.
Er weiß keine Regung, die jetzt passen würde. Er steht da mit diesem Gefühl, das sagt: "Auch wenn man alles richtig macht, kann es sein, dass man das Wichtigste vergisst. Liebe ohne Rahmen. Liebe, von der einem schlecht wird. Sie, ja sie ist auf dem Weg, schon so lange, er nur eine Station, ein Bahnhof, eine Zwischenmahlzeit, irgendeiner. Was jetzt noch sei, dies zu fragen, erübrigt sich."
"Leiden wächst dort, wo wir nicht fühlen wollen", hat sie mal gesagt, zu einer ganz anderen Zeit. Gemeinsamzeit in einem holländischen Zoo. Ein Affe fiel vom Baum und sie zog langatmig an einer Zigarette, die leise knisternd erst zu Glut, dann zu Asche wurde, und sagte eben diesen Satz. Die das Paar umgebende Stille ließ zu, dass das Knistern ihrer Glut in seine Blutbahn überging und die dann Feuer fing vor lauter Verliebtheit in die rauchende Schönheit.
So was hat ihn immer tief getroffen. Hinter seiner Mauer der Coolness war er aber auch immer der, der langatmig an Filterzigaretten Rauch in seine Lungen sog, und nur nickte, wenn sie solche Sätze sagte. Sie schwingt Sätze aus ihren Gehirnwindungen einfach so in die
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