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Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Titel: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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Schützengrabens, das macht es so unerträglich an- strengend ... Ich: Können Sie mir das näher erklären, Ken? Ken: Klar, das kann ich. Sehen Sie, meine Rolle ist absolut un- terbewertet und ich habe niemals die Chance ihr zu ent- fliehen. Ich bin lediglich Marketingmüll und wäre doch so gerne eine männliche Identifikationsfigur. Stattdessen bin ich der, der Barbies Traumauto einparkt, mit ihr auf dem schwulen Pony rumreitet und sie zum Einkaufen be- gleitet, um ihren Konsummüll heimzuschleppen. Ich: Klingt wirklich sauübel, Ken. Ken: Ist es auch, ist es auch. Ich habe Depressionen und nichts hilft, kein Medikament, das mir mein Neurologe verschrieben hat, zeigte auf Dauer irgendeine Verbesserung. Ich kann nicht mehr, haben Sie mal Feuer? Ich: Sie sollten nicht rauchen Ken, Sie sind aus Plastik. Ken steckt das kleine Päckchen Camel Filter wieder in sein pastellgrünes Jackett ... Ich: Ken, Sie laufen jetzt seit über 30 Jahren mit demselben Ge- sichtsausdruck rum? Auf mich wirken Sie sehr gestört ... Ken: Wie gesagt, meine Psyche ist so kaputt, mich könnte man eigentlich wegschmeißen. Mir geht's auch nicht gut. Se- hen Sie, ich habe weder ein Geschlechtsteil noch einen ei- genen Willen ... In meiner Welt regieren Models ... Ich: Oh Gott, wie schrecklich. Aber diese Barbie? Lieben Sie sie? Ken: Diese materielle Schlampe kann mich mal. Für sie sind materielle Werte wie Traumhaus oder Pony wichtiger. Au- ßerdem kann sie nicht Haushalt ... Ich: Ken, Sie tun mir leid, irgendwie sollten Sie sich als Mann befreien. Haben Sie Träume? Ken: Ja, Traumhaus abfackeln und dann Urlaub mit Polly Po- cket ... Ich: Polly Pocket, meinen Sie, mit einer weiteren Plastik- schlampe machen Sie einen Gewinn ...? Ken: Ich habe mir sagen lassen, sie hat Genitalien ... Ich: Ken, ich danke Ihnen für dieses Interview. Ken: heult bereits in sein Weinglas ... (aus Plastik) ... Ich kann nicht mehr ..."
    "Das ist wirklich ein fundiertes Interview", sie spuckt Bier auf die Wiese, weil ihr das Lachen aus dem Gesicht fällt und sie zur schönsten Frau des Universums werden lässt. Der junge Mann lächelt ebenfalls, lässt den gerade vorgelesenen Zettel zu Boden gleiten, und da war es wohl dann, das, was man Verständnis nannte. Die Erinnerung an die Wiese ist eine, die zerbrechlich macht. Und zwar mit aller Macht. Jetzt raucht der junge Mann im Bett und heiße Asche fällt ihm auf den Bauch, aber da ist kein Schmerz, denn innen ist mehr Schmerz, als diese lächerliche Glut jemals erzeugen könnte.
    Die Hoffnung sitzt übrigens immer noch in einer leicht gebückten Haltung auf dem Bettrand. Stumm. Sie will nichts, außer ergriffen werden und dann ergriffen machen ... Sie will begreifbar sein, die alte Hoffnung, und erkannt und mitgenommen werden vom jungen Mann, er aber, er denkt weiter Unzuversicht in sein sich erinnerndes Gehirn. Prozesse, die Biochemie heißen. Kleine Lähmungen in den Füßen und Fingern, aber das Gehirn ist hellwach. Leuchtet. Er erinnert sich weiter, an weitere Szenen, etwas tiefer, etwas später ... aus der Mitte ihrer Zeit ... Sie waren zu Tisch in einem vegetarischen Restaurant. Schon beide ein wenig angenervter als auf der Sommerwiese. Er sieht sie nur noch an Wochenenden, weil sie ansonsten deutschlandweit studierend unterwegs ist, trotz Studiengebühren und Repression. "My unfair Lady", denkt er und fühlt sich total kultiviert, als er was mit Auberginen bestellt, nur um einen beschissenen Witz machen zu können. "Baby, was ist eigentlich das Gegenteil von Aubergine?", fragt er halblüstern über den Restauranttisch und hört sie leicht angenervt zurückwispern: "Was weiß ich, Antischocke vielleicht?"
    "Ne, die Untergine, natürlich." Dass dies lediglich für ihn lustig ist, bemerkt er erst, als es zu spät ist. Sie essen, sie kauen, sie verdauen ihre Zweisamkeit, teilen nahezu schweigend diesen Tisch und fragen sich, wo denn wohl die Verliebtheit ist, ob die noch in diesem Restaurant ist oder ob die draußen wartet oder ob sie nur eine Rose weit entfernt ist, die verschenkt werden könnte. Fragen, viele Fragen treffen auf zwei Personen mit zu individuellen Leben ... Es geht weiter ... Schritte in Richtungen, ganz verschieden ... links, rechts, geradeaus, aber vor allem: abwärts ...
    "Warum hast du dem Typen denn gesagt, dass du Single bist?" Entsetzen in seinen Augen, ob dieser gehörten Wahrheit auf einer trunkeligen Party. Überall Studenten, die alles studieren und nichts wirklich wissen. Die Küche ist

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