Ich bin total spontan - wenn man mir rechtzeitig Bescheid gibt
Alternative. Sie lassen Fehler zu und müssen trotzdem nicht gleich Ihre Erwartungen an sich senken. Geben Sie weiterhin alles, aber rechnen Sie mit Ihren eigenen Fehlern. Wir möchten Ihnen die Angst vor Fehlern nehmen. Fehler sind normal und menschlich. Sehen Sie den Fehler als Chance, denn die Angst vor dem Fehler blockiert Ihre Spontaneität. Wenn Sie lernen, mit Ihren Fehlern umzugehen, werden Sie für andere Menschen menschlicher.
Hilfe, haben Sie meinen Status gefunden?
Was hindert uns also daran, einen Fehler zu machen? Wir möchten für einen Erklärungsversuch das »Statusmodell« von Keith Johnstone heranziehen. Keith Johnstone ist ein englischer Regisseur und Schauspiellehrer. Ihm war im Training mit seinen Schauspielern aufgefallen, dass sie beim Improvisieren oft sehr langweilige Szenen spielten. Sie trauten sich nicht, einen bestimmten Status einer anderen Person gegenüber einzunehmen. Sein Statusmodell entstand aus seiner Beobachtung der Realität, also unseres Alltags. Auch wir nehmen, je nachdem, mit wem wir zusammen sind, einen unterschiedlichen Status ein. Da wir aber Angst haben, den einmal gewonnenen Status zu verlieren, scheuen wir uns davor, Fehler zu machen, und sind somit auch nicht spontan.
»Im Alltagsleben«, so Johnstone, »stellen Menschen unbewusst immer ein Statusverhältnis her, indem jeder sich in eine bestimmte Position bringt (hoch oder niedrig), bis sie zu einer
›Verständigung‹ kommen - wenn sie das nicht erreichen, werden sie sich nie zusammen wohlfühlen. (…) Ohne Status könnten wir im Flur nicht aneinander vorbeigehen, ohne Schläge auszutauschen. Da dies körperliche Verletzungen mit sich bringen könnte, suchen wir einander nach Statussignalen ab, und derjenige, der Tiefstatus akzeptiert, weicht aus. Wenn wir uns über den Status nicht einigen können, entsteht eine unangenehme Situation, wenn wir nur zur gleichen Zeit durch die Tür gehen wollen. (…) Freunde lösen das Problem, indem sie Status zu einem Spiel machen; sie beleidigen einander, ohne es ernst zu meinen, oder verneigen sich im Spaß voreinander. Dadurch erklärt sich, warum wir oft jahrelang mit Bekannten zusammenkommen können und sie doch fremd bleiben, währen wir mit spielerischen Menschen fast sofort Freundschaft schließen. Einige der wichtigsten Statussignale werden durch die Augen vermittelt; wir halten den Blickkontakt, wenn wir dominieren möchten (oder wenn wir verliebt sind); wenn wir den Blickkontakt abbrechen und dann zurückschielen, verhalten wir uns unterwürfig. (…) Wenn unser Status nie gefährdet wäre, wären wir alle gelassen und ausgeglichen. (…) Die meisten von uns sind Statusspezialisten - wir spielen besser Hochstatus oder besser Tiefstatus. Beides ist defensiv: Tiefstatus vermittelt die Botschaft ›Ich bin’s nicht wert, getreten zu werden‹, Hochstatus vermittelt die Botschaft ›Bleib mir vom Leibe, ich beiße!‹«
Diese Beobachtungen helfen unserer Meinung nach nicht nur Schauspielern bei der Rollenfindung, sondern auch Ihnen in Bezug auf Spontaneität. Nach Keith Johnstone haben wir alle einen Status, der uns besser liegt. Hoch- oder Tiefstatus. Welcher Status uns eher entspricht, hängt von der jeweiligen Situation ab. In unserer Familie leben wir vielleicht im Tiefstatus
und im Arbeitsleben im Hochstatus. Aber egal, welcher Status unsere Schokoladenseite ist, er dient dazu, uns zu schützen. Für unser persönliches Wohlbefinden ist ein Status nicht besser als der andere, vielmehr ist es uns wichtig, dass keiner uns den Status nimmt. Unter Status verstehen wir »das, was wir tun, nicht das, was wir sind«. Das heißt, ein Chef kann gegenüber einem Angestellten Tiefstatus haben und der Angestellte nimmt gegenüber dem Chef einen Hochstatus ein. Der Chef aus dem folgenden Dialog ist wohlhabend, kann sich jeden Tag zwischen zwei Dienstwagen der Top-Kategorie entscheiden und besitzt eine Villa am Stadtrand mit Gästehaus und Tennisplatz, ach ja, und einem Schwimmbad. Und dennoch …
Chef:
»Herr Schnelling, könnten Sie bitte mal schnell ein paar Kopien von diesen Dokumenten machen und mir ins Büro reinreichen?«
Angestellter:
»Nein kann ich nicht, ich habe einen Termin mit den Kollegen.«
Chef:
»Aber Sie sind doch als Bürohilfe für solche Aufgaben von mir eingestellt worden, oder?«
Angestellter:
»Sie wissen gar nicht, wie man diesen Laden hier richtig leitet. Ich hätte da ein paar Ideen, die ich gleich mit den anderen Kollegen besprechen
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