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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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und die von heute, und lese sie alle. Die seriösen Zeitungen sind die schlimmsten: ihre lüsterne Missbilligung – wie ein Richter am Obersten Gericht, der unter einer Toilettentür durchspäht. Sie fassen das Thema an wie mit spitzen Fingern. »Quellen aus dem nahen Umfeld der Moderatorin zufolge …«, »sind Zweifel aufgekommen …« Bin ich wirklich so interessant? Wenn ich Produzentin einer vormittäglichen Nachrichtensendung wäre, würde ich mich dann zum Thema machen? Vermutlich schon. Mord und Promis – eine delikate Mischung.
    In einem Boulevardblatt von heute ist ein Foto von mir im Pub, »wo sie einen Drink mit einem geheimnisvollen Fremden genießt«. Da war jemand ganz clever und hat mit dem Handy eine Aufnahme gemacht. Es ist mir nicht einmal aufgefallen. Weitere Gefahren der modernen Welt. Mit einem Samsung Galaxy ist man nie allein.
    Ich kann es nicht länger aufschieben. Ich weiß, ich sollte es lassen. Es ist wie in den Keller gehen. Dort ist eine Verrückte mit einem Messer. Doch die Versuchung ist zu groß. Ich gehe in die Küche.
    Sky Plus. Die Sendungen von Donnerstag, Freitag und heute, hübsch ordentlich untereinander aufgereiht. Ich wähle die von heute.
    Zuerst denke ich, es wird alles gut. Ich werde es überleben. Als Stan seine einführenden Worte in die Kamera spricht – ein Gruppeninterview mit der Besetzung von Made in Chelsea ankündigt und einen Beitrag über die wachsende Beliebtheit der Augenbrauenkorrektur mittels Fadentechnik –, wirkt er nicht auf der Höhe. Ein schlechtes Hemd, die Ärmel zu kurz. Zu viel Körperbehaarung. Er braucht Ballast. Er braucht mich. Es ist unsere Beziehung, die ihm seinen jugendlichen Touch gibt. Ich bin Mrs   Robinson für seinen Benjamin Braddock, Francesca Annis für seinen Ralph Fiennes. Ohne mich wirkt er schäbig, schmuddelig, gealtert. Und India? Sie ist nervös. Sie hockt auf dem Sofa und gestikuliert wild mit den Händen, was man auf keinen Fall tun soll. Sie hat die Gewohnheit, mitten im Satz zu schlucken, ja, fast zu würgen, als hätte sie zu viel zu fragen und mir – mir, der Zuschauerin – so viel zu sagen, dass sie die Worte schier nicht herausbekommt.
    Ich bin mir nicht sicher, wann genau es dämmert. Es ist wie ein Gedanke, den ich nicht recht fassen kann, der durch meinen Kopf flattert wie eine Motte. Sie haben sich einen Slogan ausgedacht. Stan sagt: »Topnachrichten … Topansichten …« Und India endet mit: »Topklatsch …« Das ist neu: Er überlässt ihr die Pointe. Stan, mit übereinandergeschlagenen Beinen, wirkt ein wenig gedämpft, fast onkelhaft und seltsam nett, und India beugt sich leicht zu ihm hin. Sie haben ihr die Haare aus dem Gesicht frisiert. Nein, geschnitten. Ich erkenne Annies magischen Touch, ihren schockierenden, köstlich schmeichelhaften Schnitt, der einen Trend setzen wird. Binky von Made in Chelsea kann die Augen nicht davon lassen.
    Der Hinterbänkler der Torys, der den Pressespiegel macht, ist so bezaubert von Indias Mädchenhaftigkeit, dass er sich glatt verhaspelt und den Premierminister als »Eton-Abhänger« bezeichnet. Das wurde sicher getwittert. The World at One hat es sicher schon verbreitet. Perfekte Publicity. Das ist alles, was Terri je will: dass die Leute über die Sendung reden. Stan schüttelt den Kopf über den Parlamentarier, mehr betrübt als verärgert. »Topnachrichten … Topansichten«, sagt er, und India schließt mit: »Topklatsch.«
    Ich weiß, was das ist. Es ist Chemie. Davon redet Stan die ganze Zeit.
    Ich schalte den Fernseher aus und stöhne in der stillen Küche. Ein Schmerz wie ein elektrischer Schock schießt durch mich hindurch, ein Strom, der nicht rauskann. Eine erschreckende Erkenntnis. Hier geht’s nicht um Publicity, ob gute oder schlechte, Anschuldigungen, wahre oder falsche. Dies ist nichts Vorübergehendes und auch kein Missverständnis. Dies ist die Gelegenheit, auf die sie gewartet haben. Dies ist ihr Weg, mich rauszukicken. Ich kann nicht mehr zurück, egal was aus dem Fall wird. Danach nicht. Indias Triumph. Ich bin Schnee von gestern, absolut vorbei. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich seit Monaten, dass sie mich gern los wären.
    »Gutes und Schlechtes«, habe ich zu Jack gesagt. Ich denke darüber nach. Steve, mein Fahrer, kommt mir in den Sinn. Steves Gesicht, sein Geplauder, sein Taktgefühl, die Neuigkeiten über seine Frau und seine Tochter. Wenn dies das Ende ist, werde ich nie erfahren, was aus dem Polyp geworden ist. Den Polypen! Oder

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