Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
Vom Netzwerk:
hingeschmissen.«
    »Es ist nicht so, wie es aussieht. Wenn man die Zeitungen liest, denkt man …«
    »Hör mal«, unterbricht sie mich, »ich bin froh, dass du anrufst. Ich wollte mich auch schon melden. Also, es geht um diesen Quizabend des Lehrer-Eltern-Ausschusses. Das hast du bei dem ganzen Stress sicher vergessen. Ich wollte Bescheid sagen, dass Pollys Mann gesagt hat, er würde es machen, er ist Auktionator bei Christie’s . Im Augenblick steht dir der Sinn sicher nicht danach, zusätzlich zu … allem anderen.«
    »Nein, ich …«
    »Also, du bist vom Haken.«
    Ich will gar nicht vom Haken sein. Ich will am Haken sein. Ich will mit dem Genick an einem Schulhaken hängen.
    »Ich kann’s trotzdem machen!«, sage ich. »Ich habe mich schon darauf gefreut. Weißt du, mal mit den anderen Eltern zusammensitzen.«
    »Vielleicht ein andermal. Ich habe ihm jetzt schon gesagt, dass er es machen kann.« In ihre Stimme hat sich ein kühler Unterton geschlichen. Ich weiß nicht, ob es die polizeilichen Ermittlungen sind, der Mensch, den die Zeitungen aus mir machen, oder schlicht und ergreifend die Tatsache, dass ich nicht ehrlich zu ihr war, aber es fühlt sich an, als würde eine Tür geschlossen.
    »Oh. Bist du dir sicher?«
    »Ja. Wahrscheinlich ist es so das Beste. Wie auch immer, schöne Feiertage. Man sieht sich.«
    »Ja. Man sieht sich.«
    Die Freundschaft, die nie eine war.

    Clara verlässt nach der letzten Stunde gerade die Klasse, als ich anrufe. Sie freut sich, meine Stimme zu hören. Sie hat sich große Sorgen gemacht. Geht es mir gut? Wirklich? Das ganze Zeug … Natürlich lauter Lügen.
    Ich erkläre ihr, dass ich im Grunde erleichtert bin, dass mir die Arbeit eigentlich in letzter Zeit keinen großen Spaß mehr gemacht hat. »Veränderung ist gut«, sage ich.
    Ich versuche alles, damit sie sich keine Sorgen mehr macht, aber in meinen Worten liegt auch ein Körnchen Wahrheit.
    »Ich habe mir die ganzen Haare abgeschnitten«, erzähle ich ihr.
    »Oh, du bist genial. Mutig. Irgendein schicker Laden in Mayfair?«
    »Nein. Waschbecken im Bad. Hab’s selbst gemacht.«
    »Bist du allein?« Die Furcht in ihrer Stimme ist deutlicher zu hören.
    »Ich vermisse Millie«, sage ich und werde innerlich ganz klein, jetzt da ich Clara am Ohr habe. »Ich habe das schreckliche Gefühl, wenn man denkt, man würde sein Kind nie mehr wiedersehen.«
    »Wenigstens weißt du sie in sicheren Händen.«
    »Niemandes Hände sind sicherer als Robins.«
    »Genau.«
    Ich bin ein wenig auf und ab gegangen, und jetzt schaue ich aus dem Wohnzimmerfenster und drücke die Nase an die Scheibe, um nicht von meinem Spiegelbild abgelenkt zu werden.
    Clara bietet an, zu mir zu kommen oder sich mit mir in der Stadt zu treffen, aber ich merke, dass es einigen Aufwand für sie bedeuten würde. Ihre Stimme ist verhalten: Klavier üben und Physikhausaufgaben und Projekte benoten – hundertmal anschauen und korrigieren.
    Ich erkläre ihr, dass es mir gut geht und dass ich eigentlich einen Berg zu tun habe – »du weißt schon, Papierkram und so. Ende der Woche würde mir besser passen.« Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht, und ich will ihr auch nicht zur Last fallen. Ich sage, dass ich jeden Augenblick eine Freundin erwarte. »Jude, die Frau vom Schultor. Eine Freundin aus der Nachbarschaft.«
    Hinter den Olivenbäumen erhasche ich eine Bewegung.
    Clara ist erleichtert. »Wie schön. Ich muss. Lehrerkonferenz.«
    Ein Schatten bewegt sich. Äste wackeln.
    Ich schieße zur Haustür hinaus. Ich bin voller Zorn: Stan, die Produzenten, die Klatschblätter, die opportunistischen Trinker im Pub – meine verrückte, zornige Jagd gilt ihnen allen. Der Mann schießt hinter dem Geländer raus und hastet über die Straße. An der Allee wendet er sich kurz um, und ich sehe sein Gesicht: kurzes Haar, gedrungene, streitsüchtige Züge. Ich brülle ihm hinterher – ein einziger heißer Strom aus Wut und Empörung –, doch es ist zu spät. Er ist schon in die Allee gebogen, und bis ich an deren Ende angekommen bin, ist er verschwunden.
    Als ich nach Hause komme, bin ich außer Atem. Meine Hände zittern. Ich muss es Perivale erzählen. Noch nie war ich so nah dran, jemanden zu erwischen. Es geht um meine Rehabilitierung. Wenn er bisher an mir gezweifelt hat, dann wird er mir jetzt glauben.
    Ich will schon auflegen, da hebt er endlich ab. Ich erkläre ihm, dass vor meinem Haus ein Mann herumgelungert hat, und beschreibe ihn. Vielleicht sitzt er

Weitere Kostenlose Bücher