Ich bin unschuldig
machen soll.
»Eins nach dem anderen«, sagt Jack. »Lassen Sie uns wenigstens zu Ende bringen, was wir angefangen haben. Wenn erst mal ein hübscher Artikel erschienen ist, der Ihre Unschuld verkündet, sehen Sie das vielleicht anders. Ich hatte übrigens heute ein bisschen Zeit herumzuschnüffeln.«
Der Kellner kommt, und ich überlasse Jack das Bestellen.
»Wo?«, frage ich, als der Kellner fort ist.
»Als ich heute Nachmittag aus Tottenham kam, bin ich zufällig am Polizeirevier Battersea vorbeigekommen. Hab von Mickey Smith vom Mirror den Tipp bekommen, dass Hannah Morrow – die PC – ganz inoffiziell noch ein paar Sachen über die Ermittlungen zu sagen hatte.«
»Und?« Ich beobachte ihn aufmerksam. Das überrascht mich.
»Sie hat sich für eine Tasse Tee und ein Millionaire’s Shortbread im Café um die Ecke rausgeschlichen. Ich glaube, sie macht das ganz clever; sie sieht eine Chance, Perivale zu untergraben, was nicht heißt, dass sie nicht glaubt, was sie sagt. Sie hat durchblicken lassen, dass er von Beginn der Ermittlungen an Vorurteile gegen Sie hatte. Gegen Sie zu ermitteln, um seinen Vorgesetzten zu beweisen, dass er sich nicht durch den Ruhm oder den Ruf einer Person einschüchtern lässt, ist eine Möglichkeit zu zeigen, dass er aus hartem Holz geschnitzt ist und eine Beförderung verdient hat.« Er lächelt. »Ich persönlich glaube ja, er steht auf Sie und weiß nicht, wie er damit umgehen soll.«
Ich senke den Blick auf mein Glas und trinke einen Schluck, weil ich, glaube ich, rot geworden bin.
»Hannah versteht nicht, warum er Martas Spur nicht richtig verfolgt hat«, fährt Jack fort.
»Hannah?«
»Hannah – erstaunlich, wie nah man sich kommen kann, wenn man sich ein Shortbread teilt – findet auch, dass es sich lohnt, der Möglichkeit nachzugehen, dass Ania einen anderen hatte … oder mehrere.«
»Hat sie eine Idee, wer das sein könnte?«
»Nein. Aber ich glaube, Christa weiß was. Sie war heute Morgen recht zugeknöpft, nicht wahr? Sie hat von dem ›Vater des Babys‹ gesprochen. Nicht von Tolek. Ist Ihnen aufgefallen, dass sie immer wieder gesagt hat, Tolek sei wütend? Seltsame Charakterisierung von jemandem, der gerade seine Freundin verloren hat.«
»Nicht unbedingt …«
»Ich gehe noch mal zu Christa. Lasse meinen berühmten Charme spielen. Versuche ihn zu treffen.«
»Seien Sie vorsichtig«, sage ich. »Das ist kein Spiel.«
Das Essen kommt. Es ist köstlich – ganz gewöhnliche Zutaten wie Rote Bete und hartgekochte Eier mit exotischen Ergänzungen aus Orten wie Santiago de Compostela. Während wir essen, geht mir auf, dass ich nicht mehr über Anias Tod nachdenken möchte. Zum ersten Mal denke ich, wir sollten die Sache vielleicht doch auf sich beruhen lassen. Wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis. Wenn Christa etwas verheimlicht, dann sollten wir das PC Morrow überlassen. Es scheint mir gefährlicher zu sein, als ich ursprünglich angenommen hatte.
»Heute war ein Mann draußen vor dem Haus«, erzähle ich Jack. »Ist da rumgeschlichen. Ich finde, wir sollten Tolek oder Christa nicht weiterverfolgen. Also, da draußen läuft ein Mörder herum. Wie nah wollen wir dem kommen?«
Ich bin mir nicht sicher, ob er begreift. Er lacht, als hätte ich einen Witz gemacht. Jetzt, da das Essen da ist, hat sich sein Fokus verschoben. Er sieht sich die Dinge an, bevor er sie isst, dreht Rote Bete mit der Gabel um und untersucht die Unterseite wie ein Botaniker.
»Lassen wir es gut sein und reden über etwas anderes«, sage ich und schenke uns nach. »Ein neues Thema, etwas Interessanteres. Tun wir so, als wären wir zwei ganz normale Menschen, die zusammen zu Abend essen. Muntern Sie mich auf. Erzählen Sie mir von Ihrer Familie.«
Und er lächelt, als wäre das ein schöner Gedanke, etwas, wogegen er nicht das Geringste einzuwenden hätte, und erzählt mir als Erstes von seinen Schwestern: Die älteste wohnt in Leeds und ist im Marketing tätig, die zweite ist Allgemeinärztin, die dritte lebt mit ihrer Familie auf dem Land in der Nähe ihres Vaters. Als Kind wurde Jack, der heiß ersehnte Sohn, ganz schön verwöhnt. Seine Mutter starb vor drei Jahren an Krebs, doch sein Vater fand innerhalb von sechs Monaten eine neue »Geliebte«.
»Das ist bei Männern oft so. Wir hatten bei Mornin’ All mal einen ›Trauerberater‹. Witwen brauchen im Durchschnitt zehn Jahre, bis sie wieder heiraten, Männer heiraten oft innerhalb eines Jahres wieder.«
»Hat Ihr Vater noch
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