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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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Straße gelaufen sind, hat er mir die Hand in den Rücken gelegt, und ich spüre sie immer noch.
    Wir haben beim Gehen die Hände in die Taschen geschoben, und nach ein paar Minuten sage ich: »Kommen Sie, erzählen Sie mir von Ihrer Exfrau. Was hat sie gemacht, dass Sie so sauer auf sie sind?«
    Er hebt den Kopf und blickt zum Himmel hinauf. Der Wind spielt mit seinen Locken. Er zieht die Hand aus der Tasche, um sie glatt zu streichen. Den Blick immer noch nach oben gerichtet, sagt er: »Verheiratet mit fünfunddreißig, geschieden mit neununddreißig. Ich wollte Kinder. Viele Kinder. Sie nicht. Ich dachte, Treue sei ein wichtiger Bestandteil unserer Verbindung. Sie war anderer Meinung.«
    »Kann mir vorstellen, dass das zu Reibereien geführt hat«, sage ich leichthin und denke: Ein Mann, der viele Kinder will, wie erfrischend, wie nett.
    »Kaum hatte sie einen anderen, wurde sie natürlich innerhalb von sechs Monaten schwanger.«
    »Typisch.«
    Er macht »hm«, ich kann nicht sagen, ob es ein Lachen oder ein Räuspern ist. »Ich habe eine Frage an Sie. Sie müssen nicht antworten«, fügt er hinzu.«
    »Das ist gut.«
    »Sie haben gesagt, Sie hätten sich immer nach vielen Geschwistern gesehnt, nach einer großen Familie. Warum haben Sie dann nicht mehr Kinder? Warum nur eins? Warum nur Mils?«
    Zuerst antworte ich nicht. Ich registriere die Tatsache, dass er Millie »Mils« nennt, als würde er sie kennen. Er muss das Gefühl haben, er würde sie kennen. Ich folge weiter dem Weg. Als er mich einholt, sage ich: »Ich wollte mehr. Ich dachte, wir würden viele Kinder kriegen. Drei oder vier mindestens. Und Tiere. Katzen und Hunde. Hühner.« Ich wedele mit den Armen. »Aber das Leben läuft nicht immer so, wie man es sich wünscht.«
    »Stimmt, aber …?«
    »Mein Job … Philip hatte das Gefühl, es wäre nicht fair. Wir arbeiten beide, und er fand, wir sollten uns nicht zu viel zumuten.« Ich singe das. »So hat er es formuliert«, füge ich hinzu. »Und ich liebe – liebte – meinen Job. Andere Prioritäten schienen zur falschen Zeit wichtig zu sein. Aber ich habe Glück: Ich habe Millie. Mils.«
    »Kein Hund? Keine Katze?«
    »Philip ist allergisch.«
    Er lacht, und ich falle ein. »Er ist allergisch auf alles Mögliche«, sage ich. »Haustiere, Schellfisch, Pollen …« Und auf das Leben mit mir, denke ich, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es laut sage. Vielleicht aber doch. Es spielt keine Rolle mehr. Inzwischen habe ich ihm so viel gesagt. Er hat seine Enthüllungsstory bekommen, und vielleicht ist das auch ganz okay so.
    Das letzte Stück des Wegs gehen wir schweigend. Zwei Gestalten, Jungen im Teenageralter, lungern an einer Bank herum. Als wir näher kommen, verziehen sie sich, scheinen mit den Sträuchern zu verschmelzen. Nur zwei glühende Punkte – Zigaretten, die sich bewegen wie Glühwürmchen – zeigen, dass sie noch da sind.
    Wir lassen sie hinter uns und erreichen die Allee. Jack fasst an den Metallpfosten, der Radfahrer fernhält, hängt sich seitlich daran und sagt: »Sie sind sicher nicht scharf darauf, so spät in der Nacht allein durch den Common zu gehen, oder?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Und schließen Sie auch immer ab und so?«
    Ich nicke, will an dem Pfosten vorbei in meine Straße. »Aye, aye, Kapitän.«
    »Wer auch immer es war … Ich meine, wie Sie sagten, er wurde noch nicht verhaftet.«
    »Niemand wird mich umbringen«, sage ich. Er hat mich eingeholt. »›Hodge wird nicht erschossen.‹« Das hat Dr.   Johnson über seinen Kater gesagt. Es ist einer dieser obskuren Sätze, die Philip und ich ab und zu zitieren.
    »Dr.   Johnson?«, sagt Jack. »Ein schöner Kater. Ein sehr schöner Kater.«
    Ich bleibe stehen und drehe mich um. Es ist, als wäre er in meinen Kopf gekrochen und stocherte dort herum. Er scheint so viel zu wissen. Ich lache. »Sie kennen Boswells Dr.   Samuel Johnson. Leben und Meinungen ? Jack Hayward, Sie sind wahrlich ein Mann voller Überraschungen.«
    Ich habe das Ende der Allee erreicht. Jack ist stehen geblieben, ein dunkler Schemen vor der Efeuwand.
    »Gaby?«, sagt er.
    Der Himmel dreht sich ein wenig.
    Er sagt nichts. Ich habe so ein Gefühl, wie man es bekommt, wenn man in eine Pfütze blickt und Wolken ziehen sieht und nicht weiß, was real ist und was nicht.
    »Gaby?« Er bewegt sich ein wenig. Grüne Ranken verfangen sich in seinen Haaren. Das Pochen eines Motors, ein Polizeiwagen fährt vorbei, kreisendes Signallicht, verlangsamt,

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