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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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Wachseins alles Vorherige auslöscht.
    Es ist das Telefon, das mich weckt, doch ich erkenne es nicht. Was ist das? Wo bin ich? Wer bin ich? Zwanzig Sekunden Leere.
    »Habe ich Sie geweckt?«, fragt Jack.
    »Ja.«
    »Tut mir leid. Haben Sie gut geschlafen?« Da ist etwas in seiner Stimme, dessen ich mir nicht ganz sicher bin: Zärtlichkeit oder Tadel.
    »Ja, allerdings. Wahrscheinlich der Wein.«
    »Gott, ja. Ich habe mich gestern Abend ganz schön zugeschüttet. Diese französischen Karaffen, da vertut man sich leicht. Kann mich kaum erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin.«
    Er nimmt uns aus der Verantwortung. Glaube ich jedenfalls. »Ich auch«, sage ich. »Alles ein bisschen verschwommen.«
    Er atmet tief durch. »Können wir uns treffen?«
    Er nennt einen Ort: Spencer Park, ein Dreieck von Privathäusern, das an vier Morgen gemeinschaftliches Gartenland grenzt, nicht weit von hier. Ich war noch nie dort, obwohl wir einmal von irgendeinem Hedgefondskollegen von Philip zu einer Party eingeladen waren. Es geht das Gerücht, dass sie da Tennisplätze haben, einen Rosengarten und einen von Rhododendren gesäumten Spazierweg. Vielleicht sogar einen von Feigen umstandenen Swimmingpool, aber das kann auch bloß Gerede sein.
    »Warum dort?«, frage ich vorsichtig.
    »Dann wäre es keine Überraschung mehr.«
    Er spart es auf wie einen besonderen Leckerbissen, wie Millie mit der Karamellschicht im Twix.
    »Ich weiß nicht, Jack«, sage ich. »Sie haben gehört, was ich gestern Abend gesagt habe. Das war ernst gemeint. Ich bin unsicher, ob wir wirklich weitermachen sollten. Wir haben uns mit Christa unterhalten, und darüber bin ich wirklich froh. Aber PC Morrow hat alles unter Kontrolle. Jack, wir spielen Detektive. Es ist gefährlich.«
    »Sie verstehen das nicht! Ich habe Tolek gefunden!« Er stößt den Namen aus wie eine geballte Faust. »Christa hat gerade angerufen. Ich habe mich in ihr geirrt. Sie hat den Weg frei gemacht. Und zwar Ihretwegen. Sie hat gesagt, sie mag Sie und Sie seien ›Opfer eines Justizirrtums‹. Die Formulierung hat sie bestimmt aus dem Fernsehen. Sie will helfen. Tolek arbeitet seit ein paar Monaten in Spencer Park an der Renovierung eines Hauses. Sie wird für uns übersetzen. Heute ist er dort, er wartet auf einen Kran, er muss Zeit totschlagen. Das wollten wir doch, oder?«
    Was ist los mit ihm? Er hört mir nicht zu. »Ich weiß nicht recht …«
    »Was ist los?«
    »Ich habe Angst davor, wohin das führen könnte.«
    Er lacht. Ich kann sagen, was ich will, es nützt nichts. »Spencer Park. Das Haus mit dem Container davor. Wir treffen uns in fünfzehn Minuten.«

    Er sitzt auf der Mauer vor einer viktorianischen Villa, neben sich vorsichtig einen Styroporbecher balancierend, und kaut etwas aus einer Papiertüte. »Hm. Das sollten Sie probieren«, sagt er. »Himbeermandelbiskuit von Gail’s in der Northcote Road. Eine winzige mandelige Köstlichkeit.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Hören Sie eigentlich nie auf zu essen?«
    »Ich bin zu Fuß hergekommen«, sagt er. »Bewegung macht hungrig.« Mit ulkiger Miene zeigt er auf die Turnschuhe an seinen Füßen. ( Asics . Habe ich Perivale doch gesagt, dass jeder Asics trägt.)
    »Na los, probieren Sie mal.« Er hält mir ein paar Krümel hin, und mir schießt der hysterische Gedanke durch den Kopf, dass ich wie ein Vogel nur den Schnabel aufmachen muss. Dann wird er mich füttern, seine Finger werden meine Lippen berühren. Stattdessen strecke ich die Hand aus. Die Krümel lösen sich noch weiter auf – gemahlene Mandeln und rote Himbeerschmiere auf meiner Handfläche.
    »Absolut köstlich«, sage ich und lecke es schnell ab. Er trägt weite Khakishorts. Seine Wadenmuskeln sehen aus wie Madeleines aus brauner Haut. »Und wo ist Tolek?«
    Er zeigt die Straße hinunter auf ein weiß verputztes Herrenhaus mit Zinnen im Stil einer Burg. Die halbrunde Auffahrt ist vollgestellt mit Rohren und Holzbalken, wie die Bauklötzchen für ein Tudorhaus. Zwei Männer krabbeln auf dem Dach herum. Musik dröhnt – Tinie Tempah. Millie mag ihn, aber die Nachbarn sind sicher genervt, jede Wette.
    Auf der anderen Straßenseite parkt ein ramponierter Audi mit kreidigen Kratzern auf einer Seite, und Christa steigt aus. Ich überquere die Straße, und wir begrüßen einander mit einem Küsschen auf beide Wangen. Sie hält mich auf Armeslänge von sich weg. »Ihre Haare!«, sagt sie. »Hm!« Sie trägt dasselbe geblümte Kleid wie am Vortag, dazu eine

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