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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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Strickjacke und flachere Schuhe. Neuer Nagellack funkelt auf ihren Fingernägeln, perlmuttrosa.
    »Vielen Dank hierfür«, sage ich. »Das ist sehr nett von Ihnen, wenn auch überflüssig. Ich kann mir vorstellen, dass Tolek uns eigentlich nicht sehen möchte. Wir stören ihn nicht lange.«
    »Sie tun mir leid«, sagt sie. »Sie sind nett, das sehe ich. Ich möchte Ihnen helfen. Sie kriegen raus, was Sie wissen wollen, und geben es an die Polizei weiter, und dann lässt sie Sie in Ruhe.«
    Ich nicke. »Und Ania«, sage ich. »Wir tun es für Ania.«
    »Okay. Aber ich bin in Eile. Ich hab nicht viel Zeit. Ich hab einen Termin in Chelsea. Auf der Battersea Bridge ist manchmal ganz schön was los.«
    »Einen Termin?«
    »Mein mobiler Schönheitssalon.« Sie reicht mir ihre Karte: South London Beauty Services . »Maniküre, Pediküre, Brazilian Waxing, Massage. Ich komme ins Haus.« Sie tätschelt meine Hand. »Rufen Sie mich an, dann mache ich Ihnen einen guten Preis. Und jetzt gehe ich Tolek suchen.«
    »Mobiler Schönheitssalon«, sagt Jack, als sie hinter einem Container verschwunden ist. »Das hätte ich nicht erwartet.«
    »Und sie spricht über die Battersea Bridge, als würde sie da jeden Tag drüberfahren«, sage ich. »Daraus schließe ich auf Stammkundinnen in Chelsea.«
    »Wir beide«, sagt er. »Ich hab’s Ihnen doch gesagt. Wir sind richtige Detektive, wir zwei.«
    Wir lächeln einander an und wenden wie in gegenseitigem Einvernehmen den Blick rasch wieder ab.

    »Das ist Tolek«, sagt Christa. »Er hat fünf Minuten.«
    Ein schmächtiger Mann mit dünnem blondem Bart und kurz geschnittenem Haar nickt uns zu. Er kommt mir vage bekannt vor. Gebräunte Schultern unter einer ärmellosen Weste; auf dem gewölbten Bizeps prangt ein kunstvoller Adler. Er drückt sein Mittagessen an die Brust – ein Würstchen im Teigmantel von Greggs , ein Apfel und eine kleine Tüte Chips. Christa erklärt uns, dass er seit sechs Uhr auf der Baustelle ist.
    Wir gehen rüber zum Common und setzen uns leicht betreten in einem Kreis unter einen Baum ins feuchte Gras. Über uns flattert eine Ringeltaube auf und schießt voller Panik durch die Äste. Das Gras sieht grüner aus als seit Monaten, als wäre es über Nacht grasgrün angestrichen worden. Ich suche nach dem richtigen Wort für die Farbe, die es vorher hatte – Khaki oder Gelbsucht.
    Tolek holt eine Dose Red Bull aus der Tasche seiner Trainingshose, öffnet sie mit einem freudlosen Zischen und kippt sie in einem Zug runter. Die Sehnen seiner Hand spielen, die Handrücken sind mit weißen Farbsprenkeln übersät. Er isst sein Würstchen, kaut fast zu gleichmäßig, sein Kiefer arbeitet schwer. Ich frage mich, warum er einverstanden war, mit uns zu reden, und wie gut er Christa kennt. Sie spricht auf Polnisch wie ein Schnellfeuer auf ihn ein.
    Er wischt sich mit den Fingerspitzen den Mund ab und erwidert etwas. Seine Stimme ist unerwartet hoch, und in der Zunge hat er einen silbernen Knopf.
    »Okay«, sagt sie zu uns. »Tolek macht sich Sorgen wegen der Polizei, weil er sein Geld hier auf die Hand kriegt. Er hat oft genug mit ihr gesprochen. Für Sie wird er reden, aber er will nichts davon in der Zeitung lesen. Fragen Sie.«
    »Wir möchten hauptsächlich Hintergrundinformationen«, sagt Jack. »Wie lange waren sie zusammen? Wo haben sie sich kennengelernt? Solche Sachen.«
    Christa und Tolek besprechen sich auf Polnisch, und dann erklärt Christa uns, dass Ania und Tolek sich in der Schule kennengelernt haben, dass ihre Eltern im selben Dorf leben.
    »Wie lange waren die beiden in London?«, fragt Jack. »Sind sie zusammen hergekommen?«
    Christa sieht ihn an. Sie macht sich nicht die Mühe, es zu übersetzen. »Ania ist vor zwei Jahren gekommen«, sagt sie. »Tolek, er ist letztes Frühjahr gekommen.«
    »Das war immer der Plan, nicht wahr?«, fragt Jack. »Ich meine, Ania wollte, dass er kommt?«
    Wieder sieht Christa ihn eindringlich an, als überlegte sie, ob sie es übersetzen soll oder nicht. Als sie mit Tolek spricht, antwortet er ausführlich und wendet dann den Blick ab.
    »Ja«, sagt Christa. »Das war der Plan. Tolek, er musste das Geld verdienen, um herzukommen. Und Ania hat auf ihn gewartet. Sie wollten heiraten. Sie haben sich geliebt.«
    Tolek beißt kräftig in seinen Apfel, einen unnatürlich glänzenden Granny Smith.
    »Ich frage nur ungern nach Geld«, sagt Jack, »aber Anias Arbeitgeber sagten, er habe ihr teure Blumen geschickt und in den letzten

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