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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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Teufel?«
    »Es ist mir ernst.«
    » Sie haben damit angefangen, Gaby!« Er verzieht das Gesicht. » Sie haben mich da reingezogen.«
    Wir haben die Hauptstraße erreicht. Gegenüber steht der Gedenkstein für die Opfer des Zugunglücks in Clapham Junction aus schwarzem Granit. Dahinter die Gleise – es ist die Linie, die zu dem Teil des Common führt, wo ich Ania Dudeks Leiche gefunden habe.
    »Ich glaube, es war ein Fehler.«
    Er starrt mich an, als hätte ich ihm eine geknallt. »Sieh mal einer an«, sagt er. »Ist TV -Gaby zufällig ein wenig unberechenbar?«
    Alles Mögliche stimmt nicht. Sein gemeiner Tonfall und » TV -Gaby«. Ein Tiefschlag. Ich sehe ihn an. Vielleicht tut Christa recht daran, ihm nicht zu trauen. Er begegnet meinem Blick. Seine Miene ist unmöglich zu deuten. Er fährt sich mit Daumen und Zeigefinger über eine Augenbraue.
    »Ich frotzele nur«, fügt er nach einem Augenblick hinzu.

    Ich lasse Jack allein an der Ecke stehen. »Keine Suppe?«, ruft er hinter mir her.
    »Keine Suppe«, sage ich, ohne mich umzudrehen.
    Ich gehe sehr schnell, meine Beine sind wie Scheren. Ich habe das fast obsessive Bedürfnis, nach Hause zu gehen, Unterschlupf zu suchen, mich sicher zu fühlen. Ich durchquere die schicke moderne Siedlung, die an den Fitzhugh Grove grenzt, und überquere nur wenige Meter von da, wo Anias Leiche lag, das Kricketfeld. Ich kann nicht pfeifen, aber ich summe mit vibrierender Kehle, um die Geister zu vertreiben. Ein Mann, ein Brite, hat Christa gesagt, aber sie wusste nicht, wer. Wie müsste man vorgehen, um es herauszufinden? Ihr College? Andere Freundinnen? Tolek? Vielleicht weiß er es. Schritte hinter mir. Ein Mann im Anzug kommt näher und überholt mich. Eine Bewegung in den Sträuchern. Ein Mensch? Ein Hund. Ich habe versucht, es zu verdrängen, doch das Bild ihres misshandelten Halses – die oberflächlich eingeschnittenen bogenförmigen Abschürfungen, wie Perivale sie bezeichnet hat –, steht mir plötzlich so unmittelbar vor Augen, dass ich das Gefühl habe, mir wird gleich schlecht. Die Bäume rücken näher. Ich laufe los.
    Als ich das Café mit dem Hof erreiche, herrscht Großbetrieb: Mütter, Kindermädchen und kleine Kinder, ein Gewirr aus Fahrrädern, Rollern und heruntergefallenem Knabbergebäck.
    Der Himmel ist kobaltblau. Kinder tanzen. Der Frühling ist ohne Ania ausgebrochen.
    Kein rot-weißes Polizeiabsperrband mehr, nicht einmal ein zurückgebliebener Fetzen an einem Ast. Nichts deutet darauf hin, dass es überhaupt hier passiert ist.

    Als ich nach Hause komme, sitzt Perivale am Küchentisch und unterhält sich mit Marta. Angst macht sich in meiner Brust breit. Ich müsste ihm eigentlich sagen, was ich von Christa erfahren habe. Um Himmels willen, er sollte es längst wissen. Es liegt mir auf der Zunge. Ich muss nur den Mund öffnen und die Worte hinauslassen. Dann wäre ich frei. Doch ich habe es Christa versprochen, und sie ist hier, die Information, in mir. Ich kann sie jederzeit benutzen, wenn ich sie brauche, nur vielleicht nicht gerade jetzt. Also tue ich, was ich immer tue, wenn ich nervös bin: Ich mache Witzchen, betrachte die Situation über die Schulter, halte alle wahren Gefühle in Schach. »Ah. DI Perivale«, sage ich. »Déjà-vu.«
    Er steht auf. Ich trete vor, wie um ihn auf die Wange zu küssen, einmal links und einmal rechts, als wäre dies ein freundschaftlicher Besuch. Gerade rechtzeitig bremse ich mich. Marta, barfuß und in Leggins, huscht an mir vorbei zur Tür hinaus. Hat er sie richtig vernommen?
    »Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze«, sagt er. Er ist unrasiert, die Stoppeln haben weiße Spitzen. Seine Wangen sind schneller gealtert als der Rest. »Wir hatten einen kleineren …« Er unterbricht sich. »Sie haben die Haare frisch geschnitten.«
    »Ja.« Ich hebe die Hand, um die neuen stumpfen Enden zu berühren. »Gefällt es Ihnen?« Keine Ahnung, warum ich frage. Es ist einfach das, was mir als Erstes in den Sinn kommt.
    »Auf jeden Fall anders.«
    »Ich nehme das«, sage ich schrecklich schüchtern, »als Kompliment.«
    Er deutet eine höfische Verneigung an.
    »Ja, wie ich schon sagte, wir hatten einen kleineren Durchbruch. Ich habe mich gefragt, ob es Ihnen etwas ausmachen würde, mich aufs Revier zu begleiten.«
    Keine Frage, eine Feststellung. Ein Befehl. Könnte ich sagen, es würde mir etwas ausmachen? Könnte ich mich hier und jetzt auf den Boden werfen und mit dem Kopf aufschlagen und schreien, bis er

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