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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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wenigstens.
    »Und?«, frage ich, als er wieder dran ist.
    »Ähm … Nur Fragen, Gaby. Okay? Wo ich war. Wo du warst.«
    »Bitte, sag das nicht so genervt. Es tut mir leid, dass sie dich bei der Arbeit gestört haben, aber könntest du mir ein bisschen mehr erzählen? Bitte?«
    Er stößt einen tiefen Seufzer aus. Seine Stimme klingt verzerrt vor Anstrengung. »Tut mir leid. Ja. Nicht zu fassen, dass dir das widerfahren ist … Warum dir?«
    »Ich weiß«, sage ich.
    »Du hast gesagt, sie wäre ein Teenager gewesen.«
    »Nein, eine Frau.«
    Wieder Schweigen. Spricht er tatsächlich gleichzeitig mit jemandem im Büro? »Der Polizist hat überprüft, was du ihm erzählt hast … über den Fund der Leiche …« Ich höre ein fernes Klicken, wie ein Kugelschreiber, der rein- und rausgedrückt wird. »Im Grunde hat er nur Zeit und Ort abgeklopft.«
    »Mein Alibi, meinst du? Die überprüfen mein Alibi?«
    »Gewissermaßen. Nicht dass ich dir da viel helfen kann.« Er stößt ein bitteres Lachen aus. »An dem Tag hatte ich ein Meeting nach dem anderen, danach mit den Kollegen einen trinken und anschließend ein Arbeitsessen. Die Liste meiner Alibis ist endlos. Schade, dass ich dir davon nicht ein oder zwei abgeben kann.«

    Ich wünsche mir so sehr, dass er nach Hause kommt, dass ich, als er endlich kommt, so tue, als würde ich schlafen. Ich möchte, dass er mich weckt, dass er mich sanft stupst. Doch das macht er nicht. Er gleitet fast lautlos ins Bett. Und später, in den frühen Morgenstunden, als ich von selbst wach werde, ist er nicht mehr da. Seine Seite des Betts ist noch warm, zumindest ein bisschen. Ich warte eine Weile, doch als die Laken kalt geworden sind, schleiche ich auf Zehenspitzen die vier Treppen hinunter. Im Keller bleibe ich mit nackten Füßen bei seinem Fahrrad stehen. Er hat sich die Zeit genommen, es sorgfältig auf die spezielle Halterung zu hieven.
    Wenn Philip nicht schlafen kann, arbeitet er manchmal, doch heute Nacht ist er in dem Sessel vor den Bildschirmen zusammengesunken – Bloomberg und CNN werfen Hologramme auf sein leeres Gesicht. Er ist so in seine Gedanken vertieft, dass er mich nicht einmal hört.

Dienstag
    »Sex. Ihr braucht ein Wochenende für euch, und ihr braucht Sex. Die Leute geben so viel Geld für Psychotherapie und Paarberatung und kognitive Verhaltenstherapie aus, dabei, lass dir gesagt sein, gibt es in einer Ehe nichts, was durch guten Sex nicht zu klären wäre.«
    »Du hast recht«, sage ich.
    »Ehrlich. Du musst ihn dazu bringen, dass er sich hinsetzt und Vernunft annimmt. Habt ihr noch das Hotelzimmer?«
    Ich nicke erbärmlich und sage mit piepsiger Stimme: »Frei stehende Badewanne. Verbauter Meerblick.«
    »Zwing ihn. Setz sämtliche Waffen ein. Und wenn er nicht mitfährt, komme ich mit.«
    Clara und ich sitzen in einem Café am Exmouth Market – diese Ecke hier im Nordosten von London ist so trendig, dass sie »handwerklich gerösteten« Kaffee servieren. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet. Vielleicht haben sie im Keller einen Handwerker, der die Bohnen röstet. Clara hat einen kleinen Starken mit Milch bestellt und ich einen großen Schwarzen, nur um sie zum Lachen zu bringen. Dazu essen wir Kuchen (Yuzu-Vanille-Ingwer-Kuchen). Es ist Dienstagnachmittag – Claras halber Tag –, und ich habe vom Studio ein Taxi hierher genommen, statt nach Hause zu fahren. Ich fühle mich, als würde ich blaumachen.
    Clara ist klein und schlank, ihr Gesicht voller Charakter: tiefblaue Augen, spitze Nase sowie markante Wangenknochen und eine breite, knochige Stirn, die interessante Schatten werfen. Sie ist der coolste Mensch, den ich kenne, und der am wenigsten eitle. Neben ihr bin ich einfach nur langweilig. Manchmal betrachte ich sehnsüchtig ihren Cordglockenrock oder ihre altmodische Tweedjacke oder ihre französische Anglertasche und denke: Warum stecken die mich für die Sendung nicht mal in so was? Aber ich weiß, warum. Nicht die Klamotten sind hip, Clara ist es. Sie besitzt einfach eine natürliche Hipness.
    »Alles okay?« Sie mustert mich mit zur Seite geneigtem Kopf, studiert mein Gesicht. Am Telefon gestern, während ich darauf wartete, dass Philip nach Hause kommt, erschien mir unser Treffen so wichtig, so dringend. Ich habe geweint: hässliche, bittere Tränen. Jetzt fühle ich mich mies, dass ich mich wieder gefangen habe. Die schreckliche Wahrheit ist, dass extreme Gefühle schwer aufrechtzuerhalten sind. Ich weiß noch, wie Clara mal nach einem

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