Ich bin unschuldig
wurde sie in ihrer Wohnung. Das wissen wir anhand der Leichenflecken.«
DI Perivale runzelt entnervt die Stirn. »Wenn das Herz aufhört zu schlagen«, fährt er im Dum-di-dum-Tonfall von jemandem fort, der zum x-ten Mal dieselbe Information herunterleiert, »sammelt sich das Blut an den tiefsten Stellen des Körpers, was dazu führt, dass die Haut in diesem Bereich rosa und dann rot wird. Im vorliegenden Fall deutet die Hypostase darauf hin, dass die Beine, als sie getötet wurde, tiefer lagen als der Rest des Körpers – das passt zu den Abdrücken, die wir auf der Bettdecke in ihrer Wohnung gefunden haben. Zwei Tassen Tee standen dort, eine unberührt. Ein umgestoßenes Glas Wasser.«
»Ich war hier«, sage ich, »zu Hause. Ich habe ein Nickerchen gemacht, bin gelaufen – nur eine kleine Runde –, dann habe ich geduscht, habe das Abendessen zubereitet, meiner Tochter etwas vorgelesen, ein bisschen ferngesehen …«
»Was haben Sie sich angesehen?«
»Ich erinnere mich nicht. Ich glaube, Mad Men.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Marta. Millie, zumindest für den frühen Abend.«
»Und später?«
»Ich bin früh zu Bett gegangen, allein. Mein Mann war in der Arbeit und ist danach mit Kollegen ausgegangen.« Ich bin gern behilflich, aber ich denke auch: Warum wollen die wissen, wo ich war? Ich habe die Tote gefunden. Glauben die etwa, ich hätte sie umgebracht? Panik und Angst steigen in mir auf. Laufen polizeiliche Ermittlungen so? Sinnlose Befragungen? Bürokratischer Sumpf?
Vielleicht muss er auch einfach fragen. Vielleicht ist es einfach üblich – wie einen HIV -Test zu machen, wenn man schwanger ist –, denn schon kommt er auf ein anderes Thema zu sprechen und stellt mir ein paar Fragen nach meinem Stalker: Die Akte darüber ist »zum Vorschein gekommen«. Ich erkläre ihm, dass das Stalken, wenn man es denn so nennen kann, gegen Ende des vergangenen Sommers angefangen hat, was DI Perivale immerhin so interessant findet, dass er es notiert.
»Es kann ja Zufall sein«, sage ich, »aber ich bin mir sicher, dass ich am Samstag jemanden gesehen habe, der das Haus beobachtet hat, und als ich eben gerade reinkam, saß da draußen in einem Wagen ein Schlägertyp, der mir ein wenig verdächtig vorkam.« Ich bemühe mich um einen möglichst beiläufigen Tonfall, denn ich will nicht, dass sie denken, ich würde groß Wirbel machen.
Sie stehen auf. PC Morrow kreist mit den Schultern, um die Spannung zu lösen. (Ich hätte sie bitten sollen zu tauschen, die Bank ist nicht besonders bequem, wenn man länger darauf sitzt.)
»Der Schlägertyp da draußen?« DI Perivale zuckt die Schultern. »Das ist einer von uns.«
Ich gehe laufen. Es ist, wie wenn man sich wieder aufs Pferd setzt: Früher oder später muss man es tun. Ich habe weder meine Asics noch meine Lieblingslaufklamotten – ich weiß nicht, wann ich sie wiederkriege –, aber ein Paar alte Dunlops und eine Trainingshose tun es auch. Ich knote mir Philips graue Kapuzenjacke um die Taille. Wahrscheinlich brauche ich sie nicht, aber sie verdeckt meinen Po.
Man kann über den Common zum Fitzhugh Grove gelangen, ein Pfad führt vom Fußballplatz zum John Archer Way – eine neue Straße, die aus dem Nichts entstand, als die moderne Wohnsiedlung gebaut wurde – und dann an einer Reihe hoher Kastanien vorbei. Doch wenn man diesen Weg nimmt, muss man durch die Polizeiabsperrung. Und selbst wenn man sie umgeht, machen die großen Kastanien mit ihren dicken, weit ausholenden Ästen den Weg zu einem wenig einladenden dunklen Korridor, und so entscheide ich mich für die Trinity Road: sechsspurig dröhnender Verkehr. Am Eingang zum Fitzhugh Grove steht ein gelbes Schild, das, von den vorbeifahrenden Lkws zum Zittern gebracht, Zeugen darum bittet, sich zu melden. Ich laufe einen Augenblick auf der Stelle und tue so, als würde ich es lesen, und dann gehe ich ein bisschen weiter, nur bis dahin, wo die Autos parken. Zwischen den Wohnblocks liegen magere Rasenflächen. Am zweiten Wohnturm sehe ich das aufblitzende Signallicht eines Polizeifahrzeugs, das die Wand periodisch in orangefarbenes Licht taucht. Ich fühle mich angezogen, verstrickt. In letzter Minute drehe ich mich auf dem Absatz um und laufe wieder nach Hause.
Kurz vor unserem Haus löst sich zwischen mir und dem Tor eine massige Gestalt aus dem Schatten.
Ich ersticke einen Schrei.
»Oh, nicht doch«, sagt der Mann und streckt die Hand aus. »Tut mir leid. Gütiger Himmel. Tut mir wirklich
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