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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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möglich. »Ich versuche, mich nicht schuldig zu fühlen. Ich weiß, dass es nicht meine Schuld war und dass ich alles getan habe, um sie am Trinken zu hindern. Ich habe mich damit abgefunden. Glaube ich jedenfalls. Ich fühle mich immer noch verantwortlich. Ich denke immer noch, ich müsste nach ihr sehen, bevor ich begreife, dass das nicht geht. In gewisser Weise bin ich auch erleichtert.«
    Clara verzieht das Gesicht: Sie zieht die Lippen nach innen – das habe ich schon mal irgendwo gesehen. Es ist derselbe Ausdruck, den PC Morrow am Vortag aufgesetzt hat. Voller Bestürzung geht mir auf, dass sie damit nicht unbedingt Solidarität angesichts von DI Perivales endlosen Fragen ausdrücken wollte, sondern – wie hier bei Clara – verzweifeltes Mitgefühl angesichts der Situation und meiner Machtlosigkeit.
    »Erinnerst du dich an das Zwetschgen-Chutney, das die Frau bei euch nebenan immer gekocht hat? Sie hat uns rübergerufen und uns Käsesandwiches gemacht. Double Gloucester und Chutney.«
    Nicht die Worte zählen, sondern die Verbindungen, das Verketten der Zeit, das Verarbeiten fröhlicher Kindheitserinnerungen aus einer Zeit, die für mich nicht immer besonders fröhlich war.
    Ich lächle. »Sie meinte immer, sie müsste uns aufpäppeln. Die Zwetschgen waren aus ihrem Garten. Man musste sie kochen, sie waren so bitter, dass man sie roh vom Baum gar nicht essen konnte. Und ich muss es wissen, ich bin oft genug rübergeklettert und hab sie probiert.«
    Ich frage nach Claras Eltern – immer noch wacker, ein wandelnder Vorwurf für alle Eltern, die das nicht mehr sind. Und wir reden über Justice und Anna – alte Freundinnen, die ich ewig nicht gesehen habe. Monate. Womöglich sogar zwei Jahre. »Anna lässt dich grüßen«, sagt Clara nachdenklich. »Sie hat gesagt, sie hat eine Nachricht hinterlassen …«
    »Ich weiß. Ich bin schrecklich«, sage ich. »Weißt du, die wohnen so weit weg …«
    »Ja, ich weiß.«
    Doch das stimmt gar nicht. So weit ist es gar nicht. Eigentlich nicht. Es ist nur, dass Philip sie nicht besonders mag, und … also, es ist wirklich meine Schuld. Ich habe mich von Philip ganz in seine Welt ziehen lassen und meine eigenen Freundschaften vernachlässigt.
    Ich wechsele das Thema und frage fröhlich nach ihren Kindern. Ich darf nicht zu neidisch klingen. Ihre Tochter, elf, hat gerade Jungs entdeckt. Ihr älterer Sohn hat alle Mühe, genug Punkte zusammenzukriegen, um seine A-Levels machen zu können. Der jüngere treibt sie mit seiner Unordnung in den Wahnsinn. Sie verzieht das Gesicht wie ein dämlicher Teenager. »Warum ist mein verdammtes T-Shirt immer noch schmutzig? Ich hab’s auf dem Boden liegen lassen, verdammt, und es hat sich nicht von selbst gewaschen!« Die Schrullen ihrer Kinder zu übertreiben ist ihre Art, mir zu sagen, dass eine große Familie nicht alles ist.
    Wir kommen auf die Arbeit zurück – bei ihrem Fachbereichsleiter ist politisch irgendwas im Gange, eine Gruppe aus der zehnten Klasse macht Theater. Sie fragt, ob ich etwas von Robin gehört habe – alle lieben Robin –, und ich erzähle ihr, dass sie das alles ganz wunderbar hinkriegt und ich sie hoffentlich an Ostern sehe. »Du könntest sie auch sehen«, sage ich, »wenn ihr mitkommt.«
    Clara wüsste gern, ob ich Marta schon ausgelotet habe.
    Ich seufze. »Ich wünschte, es wäre so. Ehrlich. Ich möchte ihre Freundin sein. Ich denke immer wieder, sie ist ganz allein hier in einem fremden Land, sie muss doch einsam sein und … Aber sooft ich versuche, mit ihr ins Gespräch zu kommen, läuft es schief. Ich bekomme das Gefühl, sie will nichts mit mir zu tun haben.«
    »Vielleicht sind deine Erwartungen zu hoch. Robin ist schwer zu übertrumpfen.«
    »Sie ist unglaublich reinlich.«
    »Das ist doch eigentlich gut, oder?«
    »Ja, eigentlich schon. Und Millie scheint gut mit ihr klarzukommen. Zu ihr ist sie offensichtlich anders. Und das allein zählt.«
    »Außer dass du nicht gut mit jemandem unter einem Dach leben kannst, mit dem du nicht zurechtkommst. Auf Dauer geht das nicht.«
    »Ich sollte mir mehr Mühe geben. Außer dass es dann nur immer schlimmer wird.«
    Eine Frau in der Nähe der Theke mit sehr langen Haaren und Reißverschlüssen an den Knöcheln schaut immer wieder herüber. Sie weiß nicht, wo sie mich hinstecken soll. Es macht sie verrückt. Sie überlegt, ob ich bei ihrer Schwester im Gymnastikkurs bin. Wenn die Leute einen gleich erkennen, glotzen sie nicht so.
    Clara hat nichts

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