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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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leid. Habe ich Sie erschreckt? Ich Idiot. Tut mir leid.«
    Ich gehe rasch an ihm vorbei. Er stellt sich mir nicht in den Weg, sondern tritt sofort zur Seite. Ich erhasche einen Hauch Pfefferminz und Tee und den künstlichen Duft eines fremden Weichspülers.
    »Tut mir leid«, sage ich, als ich das Tor zwischen uns gebracht habe.
    »Nein, mir tut es leid. Nach dem Schock dessen, was passiert ist, sind Ihre Nerven sicher zum Zerreißen gesperrt.«
    Ich lache. »Gespannt.« Jetzt kann ich ihn richtig sehen. Er ist nicht viel größer als ich, hat lockige Haare und irrwitzige, drahtige Augenbrauen. Er hat große braune Augen, ansprechend, mit kleinen Fältchen drumherum, fragend, wie jemand, den ich kenne … ja, Michael Palin!
    »Ja, gespannt. Gesperrt?« Er setzt eine überraschte Miene auf. »Wo kam denn das her? Egal, tut mir leid, dass ich Sie so belästige.« Er reicht mir die Hand. »Jack Hayward. Wir haben telefoniert.«
    Ich nicke. »Zwei Welten, die kollidieren, oder so.«
    »Genau. Ich dachte, es sei den Versuch wert, Sie persönlich anzusprechen. Es ist eine verdammt gute Geschichte. Seither habe ich noch ein bisschen was herausgefunden. Ich arbeite frei. Ich brauche eine Chance. Geben Sie mir eine Chance.« Er öffnet die Hände.
    »Haben Sie mal daran gedacht, sich einen anständigen Job zu suchen?«, frage ich nicht unfreundlich.
    »Ich habe es mit einem anständigen Job versucht. Wissen Sie, dass man da jeden Tag hinmuss? Und dass man eine Krawatte tragen und an einem Schreibtisch sitzen muss?«
    »Nicht zu fassen.«
    »Leute schwärmen vom Wasserspender und wie lustig es da ist, aber waren Sie in letzter Zeit mal an einem Wasserspender? Tot. Nichts. Ein Typ aus der Buchhaltung, mehr nicht. Ich sage Ihnen, die Party ist weitergezogen.«
    »Vielleicht gehen Sie einfach zu den falschen Wasserspendern.«
    Ich lächle, doch ich bewege mich rückwärts zur Tür.
    »Bitte«, sagt er.
    »Ich bin zum Umfallen müde. Ich habe nichts zu sagen.«
    »Bitte?«, hakt er nach.
    Es ist unmöglich, grob zu jemandem zu sein, der Michael Palins Augen hat. Ich habe den Schlüssel rausgeholt. »Vielleicht ein andermal«, sage ich. »Wenn es etwas ruhiger ist.«

    Um acht Uhr ruft Philip an. Er kommt nicht zum Abendessen. Er hatte einen harten Tag. Vor Erschöpfung oder Stress kriegt er kaum ein Wort heraus. Wir haben seit dem Mittagessen am Sonntag kaum ein Wort miteinander gesprochen. Er war so unverschämt zu seinen Eltern, dass ich ihn kaum ansehen konnte. Während der ganzen Mahlzeit hat er entweder an seinem Handy rumgespielt, das Pub verlassen, um Anrufe zu tätigen, oder auf den Tisch gestarrt, als brächte er es nicht über sich, sich mit uns zu befassen. Ich mag Philips Eltern, aber Margaret, seine Mutter, ist absolut konfliktscheu. Sie hat gelächelt und einfach so getan, als wäre nichts, und Neil, ein pensionierter Schulleiter aus der Zeit, als Gelehrsamkeit höher eingeschätzt wurde als Charme, fuhr mit seiner Abhandlung über die Geschichte von Pubnamen fort, während ich verzweifelt bemüht war, Philips Abwesenheit mit einem begeisterten Strom von »Oh, wirklich« und »Nein, das habe ich nicht gewusst!« wiedergutzumachen. Die absolute Katastrophe. Margaret und ich verließen als Letzte den Tisch. »Philips Betragen tut mir leid«, sagte ich. »Er hat viel um die Ohren.« Sie sah mich kurz an, und ich dachte schon, sie wollte nachhaken. Das Bedürfnis, mich ihr anzuvertrauen, ihren Arm beruhigend um die Schulter zu spüren, überwältigte mich für einen Augenblick schier. Ich wollte ihr erzählen, wovor ich wirklich Angst habe: dass Philip mir entgleitet. Doch sie lächelte nur und setzte zu einem fröhlichen abgehackten Lachen an. »So ist Philip eben«, sagte sie und wandte sich ab.
    »Die Polizei war hier«, erklärt er mir jetzt. »Die haben mich aus einem Meeting geholt.«
    »Die Polizei?«
    »Die Tote. Es ging um sie.«
    »Warum?«, frage ich. »Warum wollten sie mit dir reden?«
    Er antwortet nicht sofort. Ich habe nur ein fernes Rauschen im Ohr. Er hält die Hand über die Sprechmuschel oder hat den Hörer auf den Tisch gelegt. Ich möchte schreien, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, doch als er wieder dran ist, zwinge ich mich, ganz ruhig zu bleiben. »Hier waren sie auch«, sage ich. »Sie wissen, wer sie ist. Eine Frau namens Ania Dudek.«
    »Ja, das haben sie gesagt.«
    »Was wollten sie von dir?«
    »Routine. Weil du sie … gefunden hast.«
    Er geht wieder weg. Glaube ich

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