Ich bin unschuldig
müssen. Niemand – Sie als Allerletzte – möchte denken, dass da draußen länger als notwendig ein Mörder herumläuft.«
Er hat recht, solange sie den Mörder nicht gefasst haben, kann ich mich nicht beklagen, und er muss seine Arbeit tun. »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Sir«, sage ich, und wir setzen uns auf die Rückbank seines Wagens. Es ist ein lädierter VW Golf, nicht gerade das, was man von einem zivilen Polizeifahrzeug erwarten würde. Und es riecht nach Lufterfrischer – am Rückspiegel baumelt eine Pappkiefer – und alten Zwiebeln. Das sind sicher die vielen Big Macs, denke ich.
Perivale setzt sich neben mich, hinter dem Steuer sitzt ein anderer Mann, der »Schlägertyp« von neulich. Er hat kurz geschnittenes Haar, das sich im Nacken in dunkle Kringel legt, und breite Schultern.
»Sitzen Sie gern hinten?«, frage ich. »Fährt er Sie herum wie ein Chauffeur?«
»Sehr witzig.«
»Dann leisten Sie mir nur Gesellschaft?«
»So was in der Art.«
»Der ganze Regen«, sage ich nach einer Weile. »Versaut Ihnen sicher den Tatort.«
»Kann tatsächlich passieren«, erwidert Perivale.
Auf dem Polizeirevier eilen wir am Empfang vorbei einen Flur hinunter. Der Raum, den wir betreten, ist kleiner als die kleinsten Vernehmungszimmer, die man in Vera oder Scott & Bailey je sieht, und falls sie hier einen Einwegspiegel haben, ist er extrem gut getarnt. Der Raum ist auch nicht besonders gut isoliert, wie die Häuser aus den Achtzigerjahren. Der Lärm aus dem Revier dringt durch die Sperrholzwände: Lachen, Gespräche, eine Stimme, die sagt: »Es tut mir leid, aber wenn sie sich einbildet, sie kann mir gegenüber so einen Ton anschlagen, ist sie an die Falsche geraten.«
Perivale führt mich zu einem Stuhl und fragt, ob ich eine Tasse Tee möchte. Dann verschwindet er durch die Tür, lässt sie offen, und ich sehe mich ein paar Minuten um. Die Wände sind in einem gebrochenen Weiß relativ frisch gestrichen, obwohl der Anstreicher über der Fußleiste ein Stück vergessen hat, eine kalligrafische Schmierspur, wie ein ausgespartes Puzzleteil von dunklerer Farbe, darunter. Mein Gehirn rattert wie wild, als versuchte es, etwas Tröstliches zu finden, wo es einhaken kann. Ich frage mich, ob sie ganz normale Maler aus den Gelben Seiten beschäftigen, um Polizeireviere zu streichen, oder ob sie es im Dienst selbst tun. »He, Robson, du bist mit Streichen dran. Terrorismusbekämpfung heute Nachmittag. Magnolia matt heute Vormittag.«
»Nichts für ungut, aber ich hektike hier nicht rum wie angestochen.« Dieselbe Stimme durch die Wand.
»Es tut mir leid, aber …« »Nichts für ungut, aber …« So was sagen die Leute, wenn sie genau das Gegenteil meinen. Es tut ihnen nämlich gar nicht leid! Es ist beleidigend gemeint! Unsere Sprache ist von Natur aus widersprüchlich. Wie oft fangen Leute einen Satz mit »Ja. Nein …« an. Als Philip und ich kurz nach unserer Hochzeit versuchten, im Süden von Indien eine Zugfahrkarte zu kaufen, kriegten wir nicht heraus, ob wir Sitzplätze reservieren konnten. »Ja«, wiederholte der Mann am Schalter immer wieder und schüttelte dabei den Kopf. Vielleicht ist Mehrdeutigkeit auch etwas zutiefst Menschliches, das Bedürfnis, das Gegenteil von dem zu sagen, was man eigentlich meint.
»Da wären wir. Für die Qualität kann ich nicht garantieren, aber wenigstens ist er heiß und flüssig.«
Perivale ist zurückgekommen, einen zweiten Mann im Schlepptau. Er ist groß, hat aber weniger Haare und ist um die Taille korpulenter, als würde er die meiste Zeit hinter einem Schreibtisch oder in Sitzungszimmern verbringen. Seine Gestalt erinnert an eine Python, die eine Ziege runtergeschlungen hat – laut Dr. Janey, der Gesundheitsexpertin von Mornin’ All , die gefährlichste Fettverteilung überhaupt. Er trägt einen grauen Anzug und ein hellblaues Hemd und eine schmale schwarze Krawatte; modisch ist er up to date, aber das heimtückische Fett, das sich um seine inneren Organe ansammelt, scheint ihn gar nicht zu stören. Auch Perivale trägt, wie mir eben erst aufgefallen ist, einen Anzug, unmodern, ausgebeult, schwarz, ungefüttert. Er sieht darin aus wie ein nicht besonders gepflegter Bryan Ferry.
Perivale stellt mir Detective Chief Inspector Paul Fraser vor. Er hat einen schottischen Akzent. Ich überlege laut, ob er aus Aberdeen stammt, und er wirkt überrascht und sagt, ja, das stimme. Er öffnet den Mund, um zu fragen, woher ich das weiß, doch Perivale reibt sich
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