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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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lassen. Sie hat Ania geliebt. Sie haben sie alle geliebt. Die Kinder vermissen sie sicher wie verrückt.
    Ich schließe das Fenster und lehne mich im Sitz zurück. Ich bin im Nirgendwo. Keiner ist mir gefolgt, das sage ich mir noch einmal. Ich hätte es Jack erzählen sollen. Jetzt ist es zu spät. Niemand ist mir gefolgt. Die Gehwege liegen verlassen. Die Bewohner von West Putney sind in ihren Häusern, kochen das Mittagessen, machen Hausarbeit, kümmern sich in der frischen Frühlingsluft um ihre Gärten. Für einen Moment bin ich sicher. Das Auto wärmt sich auf. Ich gähne.

    Als Jack zurückkommt, riecht sein Atem nach Kaffee, und an seinen Schuhsohlen kleben nasse Kirschblüten.
    »Haben Sie etwas Interessantes erfahren?«
    »Verschwinden wir erst mal von hier.«
    »Okay.« Ich gebe Gas und schieße davon. Ich tue so, als wäre ich ein Fluchtfahrzeug, aber ich bin nicht mutig genug. Der Schwung, der vorhin meine Glieder bewegt hat, hat sich in Luft aufgelöst. Der Tacho zeigt vierundzwanzig Stundenkilometer an.
    Doch Jack kapiert es – oder wenigstens meine lahme Neuauflage. »Schnell. Sie sind hinter uns her«, presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Wohin?«
    »Das Pub. Finden Sie nicht?« Er hält ein Notizbuch mit Spiralbindung in der Hand und wedelt damit herum wie mit einem spanischen Fächer. »Ich bin bereit zur Einsatznachbesprechung.«
    Ich biege rechts ab und dann links und fädele mich durch die Seitenstraßen von Putney, bis wir an den Fluss kommen. »Das Pub« – witzig, dass die Leute den bestimmten Artikel benutzen, als hätten sie ein platonisches Ideal im Kopf, das auf jedes alte Pub passt. The Duke’s Head ist groß und luftig und recht hübsch. Philip und ich waren vor Jahren mal hier, um uns das Wettrudern anzusehen. Ich parke an der Böschung nahe der Brücke. Ein roter Bus fährt hinüber, dessen Spiegelbild im Wasser zittert, Wolken jagen dahin – wie eine Werbeanzeige für London.
    Die Flut hat ihren Höhepunkt erreicht, leckt an der Brüstung, und an den Bootshäusern herrscht hektische Geschäftigkeit – Ruderboote werden gehievt, Beine werden nass, Muskeln arbeiten, Enten watscheln. Im Pub ist nicht viel los – es ist noch nicht Mittag –, doch am Tresen stehen ein paar breitschultrige Ruderer, Pints auf typische Männerart in den Händen – Fäuste und Ellbogen im rechten Winkel –, und unterhalten sich lachend. Sie erkennen mich sofort, als wir eintreten. Zurückgekämmte Haare und kein Make-up haben als Tarnung immer funktioniert. Doch die Zeiten sind vorbei. Das haut jetzt, da ich mit gebleckten Zähnen fotografiert wurde, nicht mehr hin. Ich setze ihrem Starren ein Lächeln entgegen. Einer, in Shorts und einem T-Shirt mit der Aufschrift » FIT «, stößt seinen Kumpel an.
    »Was möchten Sie?«, fragt Jack. Ich würde gern eine Cola light trinken, aber das kommt mir so klein und unaufrichtig vor – alles, was dieser Mann nicht ist –, also kehre ich den Ruderern mit ihrer pokergesichtigen Grobschlächtigkeit den Rücken zu, sage: »Ach, was soll’s, ein halbes Lager-Shandy«, und suche mir einen Platz am Fenster.
    Er geht mit einem schiefen Hüpfschritt durch den Raum und ruft über die Schulter: »Was für eins?« Die Ruderer sehen ihm hinterher, doch er scheint es nicht zu bemerken.
    Einen Augenblick steigt Panik auf, denn mir will partout nicht einfallen, was Shandy eigentlich ist. »Lager«, rufe ich jämmerlich.
    »Zitrone oder Limette?«
    »Oh, ja. Zitrone, bitte.«
    Jack schaut immer wieder zu mir herüber und verdreht ungeduldig die Augen, weil die Barkellnerin so lahm ist. Er verschüttet einen Tropfen meines Shandys, als er es zu fest auf dem Tisch absetzt, und wischt ihn mit dem Jackenärmel auf. Die Ruderer haben das Interesse verloren und wenden sich wieder ihren Witzen zu.
    »Also gut.« Jack, der davon nichts mitbekommt, trinkt einen Schluck Guinness. Schaum bleibt an seiner Oberlippe kleben. Er holt das Notizbuch aus der Tasche. Sind darin nützliche Hinweise verborgen oder nur Worte und Phantasien? Er stürzt sich mitten hinein. »Ania hat sieben Monate lang für die Familie gearbeitet. Sie hatte sich auf eine Annonce auf einer lokalen Anzeigenwebseite gemeldet, in der sie ein Kindermädchen suchten. Mr   Baxter, der in der Werbung arbeitet, war beruflich oft in Düsseldorf, wo er für BMW Online gearbeitet hat.«
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch, um zu zeigen, dass ich durchaus anzuerkennen weiß, was so ein Job für einen

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