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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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dunkle Modderigkeit nach und gehen dann zurück zum Wagen.
    »Wollen wir weitergehen?«, fragt er.
    »Ich weiß nicht.« Ich richte mich auf. »Ist das noch eine Runde, oder ist es schon ein Spaziergang?«
    »Könnten wir noch ein bisschen weitergehen, ohne uns zu entscheiden?«
    »Ja.«
    Vor uns liegt ein verlassenes Stück Treidelpfad, hagere Bäume und ein Buschwerk als Begrenzung auf der einen Seite, eine Backsteinmauer, die steil zum Fluss abfällt, auf der anderen. Der Boden ist uneben, halb Kies, halb Erde, Löcher, in denen sich Regenwasser gesammelt hat. In der Luft hängt der klamme, brackige Geruch nasser Kleider und faulender Pflanzen.
    »Haben Sie Ihren Job gemocht?«, fragt Jack plötzlich.
    »Ja, habe ich. Tue ich. Ich bin noch nicht tot.«
    Schweigen. Habe ich noch einen Job? Angst steigt auf und macht sich breit, eine dumpfe, diffuse Unsicherheit. Terri hat nicht angerufen. Soll ich sie anrufen? Ich würde nicht gebraucht, solange die Ermittlungen noch »laufen«, hat sie gesagt, doch vielleicht hat sie es sich längst anders überlegt. Vielleicht vermisst sie mich. Sind die Einschaltquoten gesunken? Soll ich sie später anrufen, um mal nachzuhören? Wage ich zu hoffen?
    Jack sieht mich seltsam an.
    »Gutes und Schlechtes«, sage ich.
    »Zum Beispiel?«
    Ich überlege gründlich. Das sind jetzt Informationen von der Sorte, die sicher ins Porträt eingehen. Ich sollte vorsichtig sein. »Schlechtes: früh anfangen, auf der Straße erkannt werden, dass die Leute glauben, sie würden mich kennen – in der Hinsicht mache ich nicht viel her, obwohl es offensichtlich höchst schmeichelhaft ist. Gutes: Ich mag es, mit Menschen zusammenzukommen. Manchmal sind es nur Promis, aber oft sind es ganz normale Menschen mit außergewöhnlichen Geschichten. Oder Experten auf einem bestimmten Gebiet. Man schnappt alle möglichen zufälligen Informationen auf, die einem nützlich sein können.«
    »Zum Beispiel?« Er zieht fragend eine Augenbraue hoch.
    »Als ich neulich auf dem Polizeirevier Battersea war, war Perivales Chef da, DCI Fraser, ein Schotte. Wir hatten kürzlich einen Stimmtrainer vom National Theatre da, der über Akzente gesprochen hat. Er meinte, die Landschaft, in der ein Mensch lebt, habe Auswirkungen darauf, wie er redet – die Tonalität von East Anglia ist so flach wie die Fens, während ein Akzent aus Wales hinauf über die Hügel und hinab in die Täler trällert. Jeder Akzent hat seinen eigenen Spannungspunkt.«
    Ich zeige direkt unter meine Nase. Jacks Blick folgt meinem Finger. »Direkt hier«, sage ich, »ist der Spannungspunkt eines Aberdeener Akzents. Das liegt daran, dass es da oben bitterkalt ist und alle herumlaufen und den Mund gegen den Wind abschirmen. Jedenfalls habe ich geraten und ihn gefragt, ob er aus Aberdeen stamme. Ich hatte den Eindruck, dass es mir in die Hände gespielt hat. Ich glaube nicht, dass es ihm was ausgemacht hat.«
    »Clever«, sagt er. »Was können Sie über mich sagen?«
    »Irgendwo, wo Hügel sind, aber auch viel offener Raum. Ich glaube, der Stimmtrainer hat gesagt, der Yorkshire-Akzent sei in Dur und ende auf einem klaren Ton, wodurch er selbstsicher klinge. Und dann verbindet man mit dem Yorkshire-Akzent natürlich auch Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Perfekt für einen Journalisten.«
    »Und was ist mit Ihrem Akzent, Ms Mortimer? Ihr Somerset-Schnarren. Wo ist Ihr Spannungspunkt?«
    »Mein Somerset-Schnarren?« Er weiß also, dass ich aus Somerset komme. Er hat recherchiert. »Ich habe gelernt, es zu verbergen«, sage ich. »Ich habe die Spuren vor langer Zeit ausgemerzt.«
    Einen Augenblick lang mache ich mir Sorgen, ich könnte zu viel verraten haben. Die Art, wie ich »langer« in die Länge gezogen habe. Andeutungen von Schuld und Zorn. Spannungspunkte. Ich will nicht, dass das in das Porträt einfließt. Es mag eine Zeit kommen, aber ich will nicht verbittert klingen oder wütend. Ich wende den Blick ab.
    Ein Mann auf einem Fahrrad kommt in Sicht, macht einen Schlenker, um eine Pfütze zu umfahren, radelt vorbei.
    »Wie auch immer«, sage ich.
    Vor uns am kurvigen Weg liegt ein einsames Bootshaus. Wir stapfen darauf zu, als Jack sagt: »Kommt Philip bald aus Singapur nach Hause?«
    Wieder eine leise Alarmglocke. Der Name meines Mannes ist öffentlich bekannt, aber die Tatsache, dass er in Singapur ist? Nicht viele Menschen wissen das. Aber seine Kollegen von der Journaille, die Mickeys und Petes, können es herausgefunden und ihm gesagt

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