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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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Rücken wurde steif, ihre Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
    Die Unterlippe des Jungen zitterte. »Ich habe nichts gesagt.«
    Eine Träne blieb in den Wimpern des Jungen hängen, und er gab zu, dass er den Juden im Winter vor zwei Jahren angesprochen hatte.
    Die Hunde bellten. Auf eine Handbewegung Florinas hin verschwand der Junge.
    Florina führte die Ochsen in ihre Verschläge. Sie goss einen Eimer Wasser über den Stallboden. Die Borsten schrubbten, als Zalman über den Hof kam und vorsichtig Abstand von den Hunden hielt, die an ihren Ketten zerrten. Florina goss einen zweiten Eimer aus. Einen dritten. Zalmans Kopf und Bart füllten die kleine Öffnung in der dicken Lehmmauer aus. »Ist der Boden immer noch nicht sauber, Doamnă Florina?« Als die Bürste innehielt, sprach Zalman weiter. »Doamnă Florina, für wen haben Sie bitte in Vişeu de Sus gearbeitet?«
    Zalman hatte in Erfahrung gebracht, dass Florina für die Lichtensteins gearbeitet hatte, die im Jahr 1939 von den Legionären der Eisernen Garde ermordet worden waren. Die jüdische Begräbnisbruderschaft hatte die Eltern und ein kleines Mädchen beerdigt, doch der Leichnam des fünfjährigen Jungen war nie gefunden worden.
    »Der Junge«, flüsterte Zalman. »Was ist aus Josef geworden, dem Sohn der Lichtensteins?«
    Endlich kam Florina aus dem Stall. Ein Eimer baumelte an ihrem steifen Arm. Zalman folgte ihr zum Bauernhaus. Sie schloss die Tür hinter sich.
    Zalman klopfte und trat in die Küche. »Doamnă Florina, sagen Sie ihm, was ihn erwartet, wenn die Nachbarn herausfinden, dass ihr Verdacht begründet ist.«
    Florina schwieg, und Zalman wandte sich an den Jungen.
    »Sie werden dich umbringen, wenn du sie als Jude um ihr Bauernerbe bringst.«
    Zalmans Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt. Als er das Kreuz über dem Himmelbett erblickte, trat er wieder in den Hof hinaus, wo er entschlossen hin und her schritt.
    Florina schaute auf den Platz, an dem sie jeden Abend mit dem Jungen betete.
    Anghel sah die Küche mit dem Himmelbett, sah Florinas Liebe und ihre Hilflosigkeit, und plötzlich ging ihm die Wahrheit auf. In diesem Moment verloren sie alles, hatten es längst verloren.
    Anghel lief nach draußen. »Und was ist mit Florina?«
    Zalman blieb stehen. »Doamnă Florina ist eine rechtschaffene Frau. Der Herr wird sie tausendfach belohnen.«
    »Florina ist meine Mutter.«
    »Herr, erbarme dich, hast du deine richtige Mutter vergessen, Josef, Sohn des Jekutiel und der Judith?«
    »Was haben Sie mit mir vor?«
    »Mit dir vorhaben? Du sollst so leben, wie es dir bestimmt ist. Du wirst nach Amerika gehen und an der neuen Jeschiwa des Rebbe studieren.«
    »Und Florina?«
    »Doamnă Florina wird ihren Lohn in der nächsten Welt erhalten. Und in dieser Welt soll es ihr an nichts fehlen.«
    »Kommt sie nicht mit nach Amerika?«
    »Dort, wo du hingehst, wird es Doamnă Florina nicht gefallen.«
    Der Junge zögerte. »Und was ist mit Mama, Tatta und Pearela? Werde ich sie wiedersehen, wenn ich mit Ihnen komme?«
    »Kind … Du weißt doch sicher, dass deine Mutter und dein Vater …«
    Der Junge versuchte es noch einmal. »Wenn ich mit Ihnen gehe, komme ich nicht in den Himmel, und wenn ich nicht in den Himmel komme, wie kann ich dann Mama, Tatta und Pearela wiedersehen?«
    Zalman ließ den Jungen stehen. Er schlug laut gegen die Küchentür. »Was haben Sie dem Kind erzählt?«
    Florina saß im Halbdunkel. »Dass es leben soll«, sagte sie, ohne aufzublicken. »Ich habe meinem Anghel gesagt, dass er leben soll.«
    »Doamnă Florina, für einen Juden gibt es kein anderes Leben als das eines Juden.«
    Doch für Florina und Anghel hatte es ein anderes Leben gegeben. Sieben Jahre lang hatten sie in einer Welt gelebt, in der Witwen ihren toten Ehemännern treu blieben, denn die Verstorbenen waren nur unten auf Erden tot, während sie in Jesus Christus weiterlebten. In ihrem Gedenken an den erfundenen Ehemann war Florina beständig gewesen. Sie hatte die Annäherungsversuche von Calin und Petru abgewiesen und sieben Jahre lang das Witwenkopftuch getragen. Sie hatte es für ihren Sohn getan, für Anghel.
    Ein letztes Mal wachte Florina über den Schlaf des Jungen, dann öffnete sie die Tür in die Dunkelheit des Abends und ging zum Melken.
    Der Junge hatte sich wie ein Fötus unter dem Daunenbett zusammengerollt. Seine Nase suchte in den weichen Zipfeln und Falten nach dem Geruch der Mutter.
    Als Florina aus dem Stall kam, stand Zalman im Hof. Er

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