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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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Zellophanumschlag. ›Anémone des bois‹, hat sie gesagt und dass Großvater Josef den Duft dieser Blume liebe, weil sie ihn an den Frühling in Maramureş erinnere. Ob ich wüsste, dass in Maramureş, wo Großvater Josef geboren sei und als Baby im Obstgarten seiner ersten Mutter von Florina behütet wurde … ob ich wüsste, dass die Wiesen in Maramureş im Frühling gelb und weiß vor lauter Gänseblümchen seien … Und dann, als wäre ihr erst in dem Moment aufgefallen, dass ich in der Tür stand, sagte sie: ›Warum bist du aufgestanden? Willst du etwa an deinem Hochzeitstag schwarze Ringe unter den Augen haben? Geh zurück ins Bett.‹
    Also bin ich wieder hochgegangen. Ich hörte, wie die Tür zum Studierzimmer auf- und wieder zuging, und habe daran gedacht, wie sehr sich meine Großeltern lieben. Ich habe darum gebetet, dass auch mich und Yoel eine solche Liebe verbinden würde, nur mit viel mehr Kindern, wenn es HaSchem gefiele.
    Um neun Uhr morgens kam die Schneiderin zur letzten Anprobe meines Hochzeitskleids. Sie hat die winzigen Satinknöpfe an die Taille des Kleids genäht. ›Siebzehn, einen für jedes deiner siebzehn Lebensjahre.‹ Als ich mich umdrehte, hat die Schneiderin sich die Hand aufs Herz gelegt und gesagt, dass ich genauso aussehe wie Großmutter Mila als junges Mädchen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Es heißt immer, Großmutter sei die schönste Frau in Williamsburg gewesen.
    Ich habe gefragt, ob ich Großvater das Hochzeitskleid zeigen dürfe.
    Aber Großmutter Mila wollte es nicht.
    Nachdem die Schneiderin gegangen war, ist Großmutter im Studierzimmer verschwunden. Ich hörte, wie Großvater fragte, ob Rachel schon da sei. Wie schwach seine Stimme klang. Großmutter sagte nein. Dann hat Großvater Josef gefragt, ob Zalman Stern schon zur Hochzeit eingetroffen sei, und Großmutter hat wieder nein gesagt, obwohl es nicht stimmte, Zalman Stern war bereits aus Paris eingetroffen. Alle wussten, dass er bei seinem Sohn Schlomo wohnte, und alle wussten, dass er gekommen war, um der Trauung seines Enkels Yoel mit Judith Halberstamm, der Enkelin der beiden Waisen, die er gerettet hatte, vorzustehen.
    ›Zalman Stern ist noch nicht da‹, wiederholte Großmutter Mila.
    Der Löffel klimperte gegen die Medizinflasche, die Kissen wurden aufgeschüttelt … Ich bekam Angst. Wir waren mit meinem kranken Großvater allein, und Großmutter sagte nicht die Wahrheit.
    Als sie schließlich aus dem Zimmer kam, habe ich zu ihr gesagt, dass wir, wenn Sejde, was Gott verhüten möge, so schwer krank sei, sofort Mama anrufen müssten.
    ›Aber Herzchen, ich habe dir doch gesagt, dass deine Mutter nicht kommen sollte. Der Schock … er könnte …‹
    ›Stimmt etwas nicht mit Mama?‹
    ›Wen höre ich da? Rachel?‹, rief Großvater.
    Großmutter ist wieder ins Studierzimmer gelaufen.
    Ich verstand nicht, warum sie mich wie ein Kind behandelte. Schließlich würde ich in drei Wochen heiraten, und in der Brautschule hatte ich gerade gelernt, dass selbst wir Gläubigen auf diese niedrige Art gezeugt werden; ich wusste, wie ein Mann und eine Frau … die Wege des Herrn sind unergründlich … Wenn mit Mama, wenn mit ihrer Gesundheit etwas nicht in Ordnung war, dann musste ich, ihre älteste Tochter, es wissen. Womöglich hatte Mama dieselbe Krankheit wie Großvater Josef, wie konnte ich ihr helfen, wenn mir niemand etwas sagte? Das Notizbuch? Erklärte das Notizbuch Großvaters Krankheit? Konnte ich dort erfahren, warum Großmutter Mila sich so seltsam verhielt?«
    Judith hatte begonnen, unruhig im Loft umherzustreifen, sie lief vor und zurück, als wolle sie der Person entkommen, die sie geworden war, seit sie das Notizbuch gelesen hatte, und an ihrem früheren Ich festhalten. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme heiser. Sie unterbrach sich, irritiert von dem tiefen Tonfall, der nicht der ihre sein konnte. Dann versuchte sie es noch einmal.
    »Ich habe im Küchenschrank gesucht und das Notizbuch im obersten Fach ertastet. Es ist auf der letzten beschriebenen Seite aufgefallen. Da war eine rote Ranke, ich habe sie angestarrt, und die Worte in den Blütenblättern haben noch intensiver zurückgestarrt: König David … Rachel … Judith …
    Ich wusste sofort, welche Seiten wichtig waren – die, die von Tränen verschmiert waren.
    Ich las französische, ungarische und rumänische Worte …
    Es gab einen Briefumschlag aus Paris, der an Monsieur Lichtenstein adressiert war. Darin ein

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