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Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Titel: Ich bleib so scheiße, wie ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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kann.
    Karriere ist die Kunst des Aufschiebens von Befriedigung und Glücksgefühlen. Aber Bedürfnis und Befriedigung sollten nicht allzu weit auseinander liegen. Arbeite ich jahrelang wie ein Wahnsinniger und spare, weil ich mir irgendwann eine Villa kaufen und auf dem eigenen Anwesen rauschende Feste geben will? Warum gebe ich sie nicht gleich heute im Park nebenan? Ähnlich ist es mit Reisen und Hobbys –  auch alles Dinge, die ich lieber jetzt als später unternehmen sollte, denn wer weiß, ob man dazu in ein paar Jahren noch Lust hat oder in der Lage ist.
    Quäle ich mich (ohne nennenswertes Ergebnis) seit Jahren mit Diät und Sport, weil ich mir davon einen schlankeren Körper und somit mehr gesellschaftliche Anerkennung erhoffe? Und wäre die Lösung des Problems nicht, sich mit Gleichgesinnten zu treffen, also beispielsweise der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung beizutreten, anstatt einsam um den Block zu joggen?
    Mit der Frage »Warum mache ich das?« kommt man seinen Motiven auf die Spur. Manchmal ist ein hohes Ziel nur eine Methode, das, was man sich wirklich wünscht, in die unerreichbare Zukunft zu verschieben. Denn was erst in der Zukunft stattfindet, kann einen hier und heute nicht enttäuschen.
2. WER SAGT, DASS ES RICHTIG IST?
    Mache ich Karriere, weil andere das von mir tatsächlich oder angeblich erwarten? Arbeite ich mehr, als ich möchte, weil ich Angst habe, ins Hintertreffen zu geraten? Bin ich abhängig von der Anerkennung meiner Eltern oder meiner Freunde? Glaube ich, dass es wichtig ist, bestimmte Ziele im Leben zu erreichen, weil ich es in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gesehen habe? Braucht jeder Mensch eine Herausforderung? Müssen alle Menschen so sein, wie es sich der Arbeitgeberpräsident wünscht?
    Woher weiß man, dass das Ziel, welches man gerne erreichen möchte, einem entspricht? Sobald es vielen anderen gefällt, was Sie tun, sollten Sie jedenfalls misstrauisch werden.
3. WAS MACHE ICH, WENN ICH MEIN ZIEL ERREICHT HABE?
    Was mache ich, wenn ich zum Mond und zurück geflogen bin und sich die Öffentlichkeit nach der ersten Welle der Begeisterung wieder anderen Dingen zuwendet? Für den Astronauten Neil Armstrong war der Flug zum Mond der Höhepunkt seines Lebens, mit der Zeit danach konnte er schwer umgehen. Dabei kam diese Entwicklung nicht überraschend, denn es ist unwahrscheinlich, dass sich nach einer Astronautenkarriere auf dem zweiten Bildungsweg ähnlich spannende Perspektiven auftun.
    Aber die Frage »Was mache ich, wenn ich mein Ziel erreicht habe?« ist nicht nur wichtig für Fußballstars und Schlagersänger, die sich rechtzeitig überlegen sollten, wie sie nach dem Höhepunkt ihrer Karriere möglichst würdevoll zu einem gewöhnlichen Dasein zurückfinden.
    Bei jeder Zielmarke, die man überquert, stellt sich unweigerlich Enttäuschung ein, wenn man sie als Fixpunkt betrachtet. Als einen Punkt also, auf den man jahrelang zuarbeitet und der einen für diese jahrelange Arbeit entschädigen soll.
    Doch das Erreichen eines Ziels löst nie das ein, was man sich davon erhofft, denn man kann sich nicht ewig an einem Zustand erfreuen, wie etwa der Tatsache, Schriftsteller oder Schauspielerin zu sein. Natürlich ist es toll, ein Buch geschrieben zu haben, das tatsächlich im Buchladen liegt. Nur: Kaum hat man ein Buch beendet, muss man sich überlegen, was man als Nächstes machen möchte, schließlich geht das Leben weiter. Es trifft sich also gut, wenn einen nicht nur das Ziel  – Schriftsteller sein – , sondern auch der Prozess – das Schreiben  – interessiert. Und wenn Sie an diesem Prozess kein Interesse mehr haben, noch bevor Sie Ihr angestrebtes Ziel erreicht haben, sollten Sie wissen, was zu tun ist.
    Solange Sie also Ihre Ziele zu ernst nehmen und nicht wirklich erkennen, warum Sie sie überhaupt erreichen wollen, bleiben Sie lieber auf Ihrem Sofa sitzen: Das spart Zeit und Geld und ist vor allen Dingen nicht so anstrengend. Sie können sich dann auch in Ruhe überlegen, ob Sie bereit sind für den einzig echten Gegenentwurf. Ein Lebenskonzept, welches so frech und gewagt ist, so provozierend, dass nur wenige um sie herum das Revolutionäre daran überhaupt erkennen werden. Der wirkliche Befreiungsschlag gegen alle gesellschaftlichen Erwartungen wäre der Entschluss, ein vollkommen gewöhnliches und mittelmäßiges Leben zu führen. Völlig unambitioniert können Sie auf diesem Weg einen neuen Rekord aufstellen, nämlich der

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