Ich bleib so scheiße, wie ich bin
um Arzt zu werden.
Seine Antwort lautet, dass diejenigen, die sich entschlossen haben, Medizin zu studieren, sich in ein »Rattenrennen« begeben. Sie denken an den wohlhabenden, niedergelassenen Arzt, der 150 000 Euro im Jahr verdient und in einer modernen Praxis residiert, die er für ein kleines Vermögen verkaufen kann, wenn er sich zur Ruhe setzt. Für dieses Ziel lohnt es sich schon, Entbehrungen in Kauf zu nehmen.
Aber nicht alle können in diesem Spiel das große Ziel erreichen. Nur wenige werden Chefarzt oder können eine gut gehende Praxis aufbauen. Aber immerhin ist der Anteil unter ihnen groß genug, um dieses Spiel mitzuspielen. Es gibt immer Konkurrenten, die an einem Punkt des Leidensweges aufgeben – sei es bereits im Studium oder in der langen Probezeit – und somit ausscheiden. Die Aussicht auf den großen Preis entschädigt für die große Wahrscheinlichkeit, niemals dort anzukommen. Und die große Wahrscheinlichkeit, nicht anzukommen, entsteht, weil durch den großen Preis so viele Anwärter motiviert werden, es trotzdem zu versuchen. »Nun hat sich die Welt aber geändert«, schreibt Christian Rieck, »und es kam die Gesundheitsreform, mit der Folge, dass es viel weniger lukrativ ist, ein niedergelassener Arzt zu werden. Mitten im Geschehen merken immer mehr Anwärter, dass der große Preis nicht mehr so lukrativ ist wie zuvor – und mucken auf. Die Politiker, die die Einkommen der niedergelassenen Ärzte in der Vergangenheit beschnitten haben, dachten, sie könnten damit Geld sparen. Aber mit ihren Maßnahmen haben sie den Hauptgewinn im Rattenrennen der Krankenhausärzte weggenommen – und damit deren Bereitschaft, sich ausbeuten zu lassen.«
Es gibt unbestritten Menschen, die leichter Karriere machen als andere. Sie scheinen fleißiger und zielstrebiger zu sein als der Durchschnitt der Bevölkerung, und offensichtlich wissen sie von Beginn ihres Lebens an, was sie wollen. Doch vielleicht ist es in Wirklichkeit so, dass sich für sie die Risiken einer Karriere anders darstellen.
Der Preis der Freiheit ist nämlich schon deutlich geringer, wenn ich ein Mensch bin, der gar nichts mit seiner Freiheit anfangen kann. Dem Freizeit, Muße, Freundschaft und Selbstbestimmung eher eine Last als eine Freude sind. Der das Leben lieber vermeidet und sowieso nichts dagegen hat, seine Jugend im Labor oder im Büro zu verbringen. So ein Mensch fühlt sich sicherer, wenn seine nächsten Lebensjahre strukturiert und verplant sind. Von Zweifeln halten solche Menschen nichts, denn Zweifel lenken nur vom Arbeiten ab.
Zu welcher Sorte Mensch gehören Sie? Wollen Sie lieber frei sein oder berühmt? Wie groß ist Ihre Leidensfähigkeit? Haben Sie lieber viel Geld oder viel Zeit für Freunde? Wollen Sie sich ausprobieren und kennenlernen, oder fürchten Sie sich eher davor, sich mit sich selbst zu beschäftigen? Glauben Sie, dass das Leben eher jetzt stattfindet oder in der Zukunft? Mit dem folgenden Test finden Sie es heraus:
TESTEN SIE IHRE FREIHEIT
MIT NUR DREI FRAGEN:
Ist es bei Ihnen Zwang oder Freiheit, wenn Sie sich hohe Ziele setzen? Um seinen wahren Motiven auf die Spur zu kommen, empfiehlt Werner Katzengruber, sich drei entscheidende Fragen zu stellen, bevor man ein Projekt angeht.
1. WARUM MACHE ICH DAS?
In der Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral erzählt Heinrich Böll von einer Begegnung eines Touristen mit einem Fischer in einem Hafen an der Mittelmeerküste. Der Fischer sitzt in der Sonne und wird vom Touristen gefragt, warum er nicht aufs Meer hinausfahre, um zu fischen. Der Fischer antwortet, dass er heute schon genug Fische gefangen habe. Der Tourist rät ihm, mehr Fische zu fangen, ein kleines Unternehmen aufzubauen, indem er weitere Boote kauft und schließlich andere Fischer anstellt, damit sie an seiner statt Fische fangen. »Und wozu soll ich das tun?«, fragt der Fischer. Dann könne der Fischer, sobald der Laden läuft, am Hafen in der Sonne sitzen und sich entspannen, erklärt der Tourist. Der Fischer erwidert: »Das tue ich doch jetzt schon.«
Die Erzählung von Heinrich Böll gibt einen Hinweis darauf, wieso man sich die Frage »Warum mache ich das?« stellen sollte: um sich nämlich darüber klar zu werden, was man mit seinen Anstrengungen überhaupt erreichen will. Verknüpfe ich zum Beispiel mit einer bestimmten beruflichen Position mehr Freiheit, Freizeit und Genuss, könnte ich mir überlegen, ob ich mir diese Dinge nicht schon hier und jetzt, in der Gegenwart, verschaffen
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