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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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niemals antun dürfen. Ich hätte ihn niemals mit diesem Mann betrügen dürfen. Ich werde ihm niemals sagen können, wie leid es mir tut. Niemals.
    Ich öffnete die Augen. Claire drückte meine Hand. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Sag es mir«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht, ob –«
    »Bitte«, sagte ich. »Sag es mir. Wer war es?«
    Sie seufzte. »Du hast gesagt, du hättest einen Mann kennengelernt, in dem Café, in das du regelmäßig gegangen bist. Er wäre sympathisch, hast du gesagt. Attraktiv. Du hättest es versucht, aber du hättest nichts dagegen machen können.«
    »Wie hieß er?«, sagte ich. »Wer war er?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Du musst es wissen!«, sagte ich. »Wenigstens seinen Namen! Wer hat mir das angetan?«
    Sie blickte mir in die Augen. »Chrissy«, sagte sie mit ruhiger Stimme, »du hast mir nie gesagt, wie er heißt. Du hast bloß gesagt, du hättest ihn in dem Café kennengelernt. Ich schätze, du wolltest nicht, dass ich irgendwelche Einzelheiten erfahre. Jedenfalls nicht mehr, als ich ohnehin schon wusste.«
    Ich spürte, wie ein weiterer Hoffnungsstrahl verglühte, für immer erlosch. Ich würde nie wissen, wer mir das angetan hatte.
    »Was ist dann passiert?«
    »Ich hab dir gesagt, dass du meiner Meinung nach eine Riesendummheit machst. Du solltest an Adam denken, auch an Ben. Ich hab dir geraten, die Sache zu beenden. Den Typen nicht mehr zu sehen.«
    »Aber ich hab nicht auf dich gehört.«
    »Nein«, sagte sie. »Jedenfalls nicht sofort. Wir haben uns gefetzt. Ich hab gesagt, du würdest mich in eine unmögliche Situation bringen. Ben wäre auch mein Freund. Du würdest von mir verlangen, ihn zu belügen, genau wie du.«
    »Und dann? Wie lange lief die Sache?«
    Sie schwieg, sagte dann: »Ich weiß nicht. Eines Tages – das muss ein paar Wochen später gewesen sein – hast du auf einmal gesagt, die Sache wäre aus und vorbei. Du hättest diesem Mann gesagt, es würde nicht funktionieren, du hättest einen Fehler gemacht. Es täte dir leid, du wärst bescheuert gewesen. Verrückt.«
    »War das gelogen?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Wir zwei haben uns nicht belogen. Niemals.« Sie blies auf ihren Kaffee. »Wenige Wochen danach wurdest du dann in Brighton gefunden«, sagte sie. »Ich hab keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert ist.«
    Vielleicht waren es diese Worte –
ich hab keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert ist
 –, die der Auslöser dafür waren, für die Erkenntnis, dass ich vielleicht nie erfahren werde, wie es zu dem Angriff kommen konnte, und plötzlich entfuhr mir ein Laut. Ich wollte ihn noch zurückhalten, doch vergebens. Es klang wie etwas zwischen Keuchen und Heulen, der Schrei eines gequälten Tieres. Toby blickte von seinem Malbuch auf. Alle im Café drehten sich zu mir um und starrten mich an, die verrückte Frau ohne Gedächtnis. Claire packte meinen Arm.
    »Chrissy!«, sagte sie. »Was hast du?«
    Ich schluchzte jetzt, mein Oberkörper hob und senkte sich, ich schnappte nach Luft. Ich weinte um all die Jahre, die ich verloren hatte, und um all die, die ich noch verlieren würde, zwischen dem Heute und dem Tag, an dem ich starb. Weinte, weil Claire, der es doch so schwergefallen war, mir von meiner Affäre und meiner Ehe und meinem Sohn zu erzählen, morgen wieder von vorn anfangen musste. Aber vor allem weinte ich, weil ich das alles selbst heraufbeschworen hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Es tut mir leid.«
    Claire stand auf und kam um den Tisch herum. Sie ging neben mir in die Hocke, einen Arm um meine Schulter, und ich legte meinen Kopf an ihren. »Ist ja gut«, sagte sie, während ich schluchzte. »Keine Angst, Chrissy, Süße. Jetzt bin ich ja da. Ich bin da.«
     
    Wir verließen das Café. Nach meinem Ausbruch war Toby auf einmal ungebärdig und laut geworden, als wollte er sich nicht von mir ausstechen lassen. Er warf seine Malbücher auf den Boden und einen Plastikbecher mit Saft hinterher. Claire räumte alles auf und sagte dann: »Ich brauch frische Luft. Gehen wir?«
    Jetzt saßen wir auf einer der Bänke mit Blick über den Park. Unsere Knie waren zueinander gedreht, und Claire hielt meine Hände, rieb sie, als wären sie kalt.
    »Hatte ich –«, setzte ich an. »Hatte ich viele Affären?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Keine. Klar, an der Uni hatten wir unseren Spaß. Aber auch nicht mehr als die meisten anderen. Und als du dann Ben kennengelernt hast, war damit Schluss. Du warst ihm nie

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