Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
wie eine Versagerin. Nicht als Mutter – du konntest sehen, wie fröhlich Adam war –, aber als Schriftstellerin. Du hast gedacht, du würdest nie wieder in der Lage sein, auch nur eine Zeile zu schreiben. Ich bin dann oft zu dir rüber, und manchmal warst du ein Häufchen Elend. Hast dir die Augen ausgeheult, das volle Programm.« Ich fragte mich, was wohl als Nächstes kam, wie schlimm es werden würde, dann sagte sie: »Du hast dich auch mit Ben gestritten. Du hast es ihm verübelt, wie leicht er das Leben nahm. Er hat angeboten, ein Kindermädchen zu bezahlen, aber, na ja …«
»Aber was?«
»Du hast gesagt, das wäre mal wieder typisch für ihn. Jedes Problem mit Geld lösen zu wollen. Du hattest nicht ganz unrecht, aber … So richtig fair warst du vielleicht auch nicht.«
Vielleicht nicht, dachte ich. Mir fiel auf, dass es uns finanziell gutgegangen sein musste, besser als nach meinem Gedächtnisverlust, besser als jetzt, wie ich vermute. Wie viel Geld meine Krankheit doch geschluckt haben muss.
Ich versuchte, mir ein Bild davon zu machen, wie ich damals war, wie ich mit Ben stritt, mich um das Baby kümmerte, zu schreiben versuchte. Ich stellte mir Milchfläschchen vor oder Adam an meiner Brust. Schmutzige Windeln. Vormittage, an denen ich wahrscheinlich voll davon in Anspruch genommen wurde, mich selbst und mein Baby zu versorgen, und Nachmittage, an denen ich vor lauter Erschöpfung nur noch schlafen wollte, aber noch Stunden durchhalten musste, und der Gedanke ans Schreiben keinen Platz mehr in meinem Kopf fand. Ich konnte das alles sehen und den schleichenden, brennenden Groll spüren.
Aber es war eben alles nur Vorstellung. Erinnern konnte ich mich an nichts. Claires Geschichte fühlte sich an, als hätte sie nicht das Geringste mit mir zu tun.
»Und dann hatte ich eine Affäre?«
Sie blickte auf. »Ich hatte viel Zeit. Ich hab damals gemalt. Ich hab vorgeschlagen, dass ich auf Adam aufpasse, zwei Nachmittage die Woche, damit du schreiben konntest. Ich hab darauf bestanden.« Sie nahm meine Hände. »Es war meine Schuld, Chrissy. Ich hab dir sogar empfohlen, in ein Café zu gehen.«
»Ein Café?«, sagte ich.
»Ich dachte, es täte dir gut, aus dem Haus zu kommen. Mal was anderes zu sehen. Ein paar Stunden die Woche, um etwas Abstand von allem zu kriegen. Nach einigen Wochen ging es dir auch sichtlich besser. Du warst fröhlicher, du hast gesagt, du kämst gut mit der Arbeit voran. Dann bist du fast jeden Tag in das Café gegangen, hast Adam mitgenommen, wenn ich keine Zeit hatte. Aber dann ist mir aufgefallen, dass du dich anders gekleidet hast. Die klassische Nummer, obwohl ich mir zu der Zeit nichts dabei gedacht habe. Ich dachte einfach, du wärst wieder besser drauf. Selbstbewusster. Doch dann, eines Abends, rief Ben mich an. Er hatte getrunken, glaube ich. Er sagte, ihr würdet euch immer öfter streiten und er wüsste nicht mehr weiter. Du hättest auch keine Lust mehr auf Sex. Ich hab gesagt, dass es wahrscheinlich bloß an dem Kind lag, dass er sich wahrscheinlich unnötig Gedanken machte. Aber –«
Ich fiel ihr ins Wort. »Ich hatte eine Affäre.«
»Ich hab dich gefragt. Zuerst hast du es abgestritten, aber ich hab gesagt, ich wäre nicht blöd und Ben auch nicht. Wir haben uns gezofft, und nach einer Weile hast du mir die Wahrheit gestanden.«
Die Wahrheit. Nichts Glamouröses, nichts Aufregendes. Bloß die nackten Fakten. Ich hatte mich in ein Klischee auf zwei Beinen verwandelt, war mit jemandem, den ich in einem Café kennengelernt hatte, ins Bett gestiegen, während meine beste Freundin auf mein Kind aufpasste und mein Ehemann das Geld für die Klamotten und Dessous verdiente, die ich für einen anderen anzog. Ich stellte mir die heimlichen Telefonate vor, die gescheiterten Verabredungen, wenn etwas Unvorhergesehenes dazwischenkam, und wenn es dann klappte, die schäbigen, jämmerlichen Nachmittage im Bett mit einem Mann, der mir vorübergehend besser – aufregender? attraktiver? ein besserer Liebhaber? – erschienen war als mein eigener. War das der Mann, auf den ich in dem Hotelzimmer gewartet hatte, der Mann, der mich schließlich angriff, mir meine Vergangenheit und Zukunft nahm?
Ich schloss die Augen. Ein Erinnerungsblitz. Hände, die mich an den Haaren packen, an der Kehle. Mein Kopf unter Wasser. Nach Luft schnappend, weinend. Ich erinnere mich, was ich dachte.
Ich will meinen Sohn sehen. Ein letztes Mal. Ich will meinen Mann sehen. Ich hätte ihm das
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