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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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Großbuchstaben auf der Vorderseite. »Er hat mich gebeten, ihn dir zu geben, wenn ich irgendwann fände, dass du in der Verfassung wärst, ihn zu lesen.« Ich sah sie an, spürte alle Gefühle gleichzeitig. Aufregung und Angst. »Ich finde, der Zeitpunkt ist gekommen«, sagte sie.
    Ich nahm den Brief und steckte ihn in meine Handtasche. Obwohl ich nicht wusste, warum, wollte ich ihn nicht sofort lesen, in Claires Beisein. Vielleicht fürchtete ich, sie könnte den Inhalt aus meinem Mienenspiel ablesen und dann würde er nicht mehr mir allein gehören.
    »Danke«, sagte ich. Sie lächelte nicht.
    »Chrissy«, sagte sie. Sie blickte nach unten auf ihre Hände. »Es gibt einen Grund, warum Ben dir erzählt hat, ich wäre weggezogen.« Ich spürte, wie meine Welt sich veränderte, obgleich ich noch nicht sicher war, in welcher Weise. »Ich muss dir was sagen. Warum wir keinen Kontakt mehr hatten.«
    Da wusste ich es. Ohne dass sie es aussprach, wusste ich es. Das fehlende Puzzleteilchen, der Grund, warum Ben gegangen war, der Grund, warum meine beste Freundin aus meinem Leben verschwunden war und mein Mann mir eine falsche Erklärung dafür gegeben hatte. Ich hatte richtiggelegen. Die ganze Zeit. Ich hatte richtiggelegen.
    »Es ist also wahr«, sagte ich. »O Gott. Es ist wahr. Du triffst dich mit Ben. Du schläfst mit meinem Mann.«
    Sie blickte entsetzt auf. »Nein!«, sagte sie. »Nein!«
    Gewissheit übermannte mich. Ich wollte
Lügnerin!
schreien, tat es aber nicht. Als ich drauf und dran war, sie zu fragen, was sie mir denn sagen wollte, wischte sie sich etwas aus dem Auge. Eine Träne? Ich weiß es nicht.
    »Nicht mehr«, flüsterte sie, blickte dann wieder auf ihre Hände im Schoß. »Aber früher.«
     
    Ich hätte mit allen möglichen Emotionen gerechnet, aber Erleichterung zählte nicht dazu. Doch so war es: Ich war erleichtert. Weil sie ehrlich war? Weil ich jetzt eine Erklärung für alles hatte, eine, die ich glauben konnte? Ich bin mir nicht sicher. Aber die Wut, die ich hätte empfinden können, kam nicht, auch nicht der Schmerz. Vielleicht war ich froh, einen winzigen Funken Eifersucht zu spüren, einen konkreten Beweis dafür, dass ich meinen Mann liebte. Vielleicht war ich bloß erleichtert, dass nicht nur ich, sondern auch Ben einmal untreu gewesen war, dass wir jetzt sozusagen quitt waren.
    »Erzähl’s mir«, flüsterte ich.
    Sie sah nicht auf. »Wir waren immer eng befreundet«, sagte sie leise. »Wir drei, meine ich. Du. Ich. Ben. Und zwischen mir und ihm war nie etwas gewesen. Das musst du mir glauben. Niemals.« Ich sagte, sie solle fortfahren. »Nach deinem Unfall hab ich versucht, so gut ich konnte zu helfen. Du kannst dir vorstellen, wie schwer es für Ben war. Schon allein in praktischer Hinsicht. Mit Adam … ich hab getan, was ich konnte. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Aber wir haben nicht miteinander geschlafen. Da nicht. Ehrenwort, Chrissy.«
    »Wann denn dann?«, fragte ich. »Wann ist es passiert?«
    »Kurz bevor du ins Waring House verlegt wurdest«, sagte sie. »Es ging dir schlechter denn je. Adam war schwierig. Es war eine harte Zeit.« Sie blickte weg. »Ben trank. Nicht übermäßig, aber reichlich. Er wurde mit der Situation einfach nicht fertig. Eines Abends kamen wir von einem Besuch bei dir zurück. Ich brachte Adam ins Bett. Ben saß im Wohnzimmer und weinte. »Ich schaff das nicht«, sagte er immer wieder. »Ich schaff das nicht mehr. Ich liebe sie, aber ich halt das nicht aus.«
    Eine Windböe fegte den Hügel herauf. Kalt. Schneidend. Ich zog meinen Mantel enger um mich.
    »Ich hab mich neben ihn gesetzt. Und …«
    Ich hatte alles klar vor Augen. Die Hand auf der Schulter, dann die Umarmung. Die Lippen, die einander durch die Tränen finden, den Augenblick, in dem Schuldgefühle und die Gewissheit, dass es nicht weitergehen darf, dem Verlangen und der Gewissheit weichen, dass es kein Halten mehr gibt.
    Und dann? Der Sex. Auf dem Sofa? Auf dem Fußboden? Ich wollte es nicht wissen.
    »Und?«
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht, dass es passiert. Aber es ist passiert, und … ich hab mich total mies gefühlt. Total mies. Wir beide.«
    »Wie lange?«
    »Was?«
    »Wie lange ging das mit euch?«
    Sie zögerte, sagte dann: »Ich weiß nicht. Nicht lange. Ein paar Wochen. Wir hatten … wir hatten nur ein paarmal Sex. Es war nicht richtig. Wir haben uns beide danach mies gefühlt.«
    »Wie ging es weiter?«, fragte ich. »Wer hat es

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