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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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besser, Ben. Das weiß ich. Ich glaube, ich fange wieder mit dem Schreiben an. Es gibt keinen Grund, der dagegenspricht. Es müsste gehen. Und außerdem hab ich ja jetzt auch wieder Kontakt zu Claire, und sie kann mir helfen.« Mir kommt eine Idee. »Wir könnten uns mal treffen, meinst du nicht? So wie früher? Wie an der Uni? Wir drei. Und ihr Mann – ich glaube, sie hat gesagt, sie lebt mit einem Mann zusammen. Wir können uns treffen und was unternehmen. Das wird schön.« Ich muss an die Lügen denken, von denen ich gelesen habe, an all die Male, die ich ihm nicht habe vertrauen können, doch ich verdränge es. Ich sage mir, dass all das nun aus der Welt geschafft ist. Jetzt ist es an mir, stark zu sein. Positiv. »Solange wir uns versprechen, immer ehrlich zueinander zu sein«, sage ich. »Dann wird alles gut.«
    Er blickt mich wieder an. »Du liebst mich doch, oder?«
    »Natürlich. Natürlich tu ich das.«
    »Und du verzeihst mir? Dass ich dich verlassen habe? Ich wollte es nicht. Ich hatte keine andere Wahl. Es tut mir leid.«
    Ich nehme seine Hand. Sie fühlt sich warm und kalt zugleich an, leicht klamm. Ich will sie zwischen beide Hände nehmen, doch er hilft mir weder dabei, noch sträubt er sich dagegen. So bleibt seine Hand reglos auf seinem Knie liegen. Ich drücke sie, und erst da scheint er zu merken, dass ich sie halte.
    »Ben. Ich verstehe das. Ich verzeihe dir.« Ich sehe ihm in die Augen. Sie wirken stumpf und leblos, als hätten sie schon so viel Grauen gesehen, dass sie mehr nicht verkraften können.
    »Ich liebe dich, Ben«, sage ich.
    Seine Stimme senkt sich zu einem Flüstern. »Küss mich.«
    Ich tue, was er verlangt, und als ich mich wieder von ihm gelöst habe, flüstert er: »Noch mal. Küss mich noch mal.«
    Ich küsse ihn ein zweites Mal. Doch obwohl er mich darum bittet, kann ich ihn nicht noch ein drittes Mal küssen. Stattdessen schauen wir hinaus über das Meer, auf den Mond, der sich im Wasser spiegelt, auf die Regentropfen an der Windschutzscheibe, die das gelbe Scheinwerferlicht vorbeifahrender Autos reflektiert. Nur wir beide, händchenhaltend. Zusammen.
     
    Ich habe das Gefühl, als würden wir stundenlang so dasitzen. Ben, neben mir, starrt hinaus aufs Meer. Er lässt die Augen über das Wasser schweifen, als suche er etwas, irgendeine Antwort in der Dunkelheit, und er spricht kein Wort. Ich frage mich, warum er hierhergefahren ist, was er zu finden hofft.
    »Ist heute wirklich unser Jahrestag?«, frage ich. Ich erhalte keine Antwort. Er hat mich anscheinend nicht gehört, also wiederhole ich die Frage.
    »Ja«, antwortet er leise.
    »Unser Hochzeitstag?«
    »Nein«, sagt er. »Der Tag, an dem wir uns kennengelernt haben.«
    Ich möchte ihn fragen, ob das kein Grund zum Feiern wäre, und ihm sagen, dass mir die Stimmung nicht besonders feierlich vorkommt, doch das wäre gemein.
    Der starke Verkehr auf der Straße hinter uns hat nachgelassen, der Mond steht jetzt hoch am Himmel. Allmählich befürchte ich, dass wir die ganze Nacht hierbleiben und aufs Meer schauen werden, im strömenden Regen. Ich täusche ein Gähnen vor.
    »Ich bin müde«, sage ich. »Können wir jetzt zu unserem Hotel fahren?«
    Er schaut auf die Uhr. »Ja«, sagt er. »Klar. Entschuldige. Ja.« Er lässt den Motor an. »Wir fahren jetzt direkt hin.«
    Ich bin erleichtert. Ich sehne mich ebenso nach Schlaf, wie mir davor graut.
     
    Die Küstenstraße steigt an und fällt wieder ab, als wir an einem Dorf vorbeifahren. Die Lichter eines anderen, größeren Ortes kommen langsam näher, werden in der nassen Scheibe schärfer. Der Verkehr nimmt zu, ein Jachthafen taucht auf, mit seinen vertäuten Booten und Geschäften und Nachtclubs, und dann sind wir in der Stadt selbst. Zu unserer Rechten reiht sich Hotel an Hotel, weiße Schilder, die im Wind schaukeln, bieten freie Zimmer an. Die Straßen sind belebt; es ist offenbar doch nicht so spät, wie ich gedacht habe, oder es ist eine Stadt, die die Nacht zum Tag macht.
    Ich schaue aufs Meer. Ein riesiger Pier ragt aufs Wasser hinaus, hell erleuchtet, mit einem Vergnügungspark am Ende. Ich sehe einen Pavillon mit Kuppel, eine Achterbahn, eine Riesenrutsche. Ich kann fast das Gejauchze und Gekreische der Leute hören, die über dem pechschwarzen Meer herumgeschleudert werden.
    Eine Angst, die ich nicht benennen kann, macht sich in meiner Brust breit.
    »Wo sind wir?«, frage ich. Über dem Eingang zum Pier prangt ein Schriftzug in grellweißen Lichtern, aber

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