Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
von dem er sich heute Morgen verabschiedet hat. Ich habe meine eigene Geschichte erfahren. Ich habe mich selbst entdeckt. Was wird er denken, wenn er mich sieht? Was wird er sagen?
Ich muss ihn fragen, ob er von meinem Tagebuch weiß. Ob er es gelesen hat. Was er denkt.
Als er die Tür hinter sich schließt, ruft er: »Christine? Chris? Ich bin da.« Aber seine Stimme hat keinen Schwung, er klingt erschöpft. Bestimmt zieht er sich jetzt seine Pantoffeln an, und dann kommt er hoch zu mir. Ich spüre, wie in mir Freude aufsteigt, weil ich seine Gewohnheiten kenne – mein Tagebuch hat sie mir verraten, auch wenn meine Erinnerung das nicht kann –, aber als ich seine Schritte auf der Treppe höre, erfasst mich ein anderes Gefühl. Furcht. Ich denke daran, was ich vorn in mein Tagebuch geschrieben habe.
Vertraue Ben nicht
.
Er öffnet die Schlafzimmertür. »Schatz!«, sagt er. Ich habe mich nicht von der Stelle bewegt. Ich sitze noch immer auf der Bettkante, die offenen Reisetaschen hinter mir. Er verharrt in der Tür, bis ich aufstehe und die Arme ausbreite, erst dann kommt er zu mir und küsst mich.
»Wie war dein Tag?«, sage ich.
Er nimmt seine Krawatte ab. »Ach«, sagt er. »Lass uns nicht darüber reden. Wir haben Wochenende!«
Er fängt an, sein Hemd aufzuknöpfen. Ich unterdrücke den Impuls, den Blick abzuwenden, sage mir, dass er mein Mann ist, dass ich ihn liebe.
»Ich hab die Taschen gepackt«, sage ich. »Ich hoffe, ich habe für dich das Richtige ausgesucht. Ich wusste nicht, was du mitnehmen willst.«
Er steigt aus der Hose und faltet sie zusammen, ehe er sie in den Schrank hängt. »Es wird schon richtig sein.«
»Ich weiß ja nicht genau, wo wir hinfahren. Deshalb war ich mir unsicher, was ich einpacken sollte.«
Er dreht sich zu mir um, und ich meine, in seinen Augen Verärgerung aufblitzen zu sehen. »Ich schau’s mir an, bevor wir die Taschen zum Wagen bringen. Wird schon in Ordnung sein. Danke für deine Mühe.« Er setzt sich auf den Stuhl an der Frisierkommode und zieht sich eine verwaschene Bluejeans an. Mir fällt auf, dass die Hosenbeine perfekte Bügelfalten haben, und mein Mitzwanziger-Ich muss den Drang unterdrücken, ihn lächerlich zu finden.
»Ben?«, sage ich. »Du weißt, wo ich heute war.«
Er sieht mich an. »Ja«, sagte er. »Weiß ich.«
»Du weißt von Dr. Nash?«
Er wendet sich von mir ab. »Ja«, sagt er. »Du hast es mir erzählt.« Ich kann ihn in den Spiegeln der Frisierkommode sehen. Drei Versionen des Mannes, den ich geheiratet habe. Des Mannes, den ich liebe. »Alles«, sagt er. »Du hast mir alles erzählt. Ich weiß alles.«
»Und du hast nichts dagegen? Dass ich zu ihm gehe?«
Er dreht sich nicht zu mir um. »Ich wünschte, du hättest es mir erzählt. Aber, nein. Nein, ich habe nichts dagegen.«
»Und mein Tagebuch? Weißt du von meinem Tagebuch?«
»Ja«, sagt er. »Du hast mir davon erzählt. Du hast gesagt, es würde dir helfen.«
Mir kommt ein Gedanke. »Hast du es gelesen?«
»Nein«, sagt er. »Du hast gesagt, es wäre persönlich. Ich würde nie in deinen persönlichen Sachen rumschnüffeln.«
»Aber das mit Adam? Weißt du, dass ich von Adam weiß?«
Ich sehe, wie er zusammenzuckt, als hätten ihn meine Worte mit Wucht getroffen. Ich bin überrascht. Ich hätte gedacht, er wäre froh. Froh, dass er mir nicht länger von Adams Tod erzählen muss, wieder und wieder.
Er sieht mich an.
»Ja«, sagt er.
»Es sind keine Fotos da«, sage ich. Er fragt, was ich meine. »Hier sind überall Fotos, aber noch immer keins von ihm.«
Er steht auf und kommt zu mir, setzt sich neben mich aufs Bett. Er nimmt meine Hand. Ich wünschte, er würde aufhören, mich zu behandeln, als wäre ich fragil und schwach. Als würde die Wahrheit mich zerbrechen.
»Ich wollte dich überraschen«, sagt er. Er greift unters Bett und holt ein Fotoalbum hervor. »Ich hab sie hier reingetan.«
Er reicht mir das Album. Es ist schwer, dunkel, mit einem Einband, der wie schwarzes Leder aussehen soll, es aber nicht tut. Ich öffne den Deckel, und darunter ist ein Stapel Fotos.
»Ich wollte sie ordentlich einkleben«, sagt er. »Und dir das Album heute Abend als Geschenk geben, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen. Tut mir leid.«
Ich sehe die Fotos durch. Sie sind unsortiert. Fotos von Adam als Baby, als kleiner Junge. Es müssen die aus der Metallschatulle sein. Eines hebt sich von den anderen ab. Adam als junger Mann, der neben einer Frau sitzt. »Seine
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