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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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Wieso hat er mir nicht gesagt, dass wir herkommen würden? Wie kann es sein, dass er mir nicht mal von dem Angriff erzählen wollte und mich jetzt in das Zimmer bringt, in dem es passiert ist?
    Ich sehe den großen Mann draußen vor der Tür stehen, und ich will ihm zurufen, er soll doch noch bleiben, aber er macht auf dem Absatz kehrt, und Ben schließt die Tür. Jetzt sind wir beide allein.
    Er sieht mich an. »Alles in Ordnung, Liebling?«, fragt er. Ich nicke und sage ja, doch das Wort klingt, als wäre es aus mir herausgepresst worden. Ich spüre, wie sich Hass in meiner Magengegend regt.
    Er nimmt meinen Arm. Er drückt ihn ein kleines bisschen zu fest; noch ein wenig stärker, und ich würde etwas sagen, ein weniger schwächer, und ich würde wahrscheinlich gar nichts merken. »Ehrlich?«
    »Ja«, sage ich. Warum macht er das? Er muss wissen, wo wir sind, was das bedeutet. Er muss es die ganze Zeit geplant haben. »Ja, mir geht’s gut. Ich bin bloß ein bisschen müde.«
    Und dann geht mir ein Licht auf. Dr. Nash. Er muss etwas damit zu tun haben. Wieso sollte Ben sonst ausgerechnet jetzt beschließen, mich herzubringen, wo er es in all den Jahren längst hätte tun können, aber nicht getan hat?
    Die beiden müssen Kontakt gehabt haben. Vielleicht hat Ben ihn angerufen, nachdem ich ihm von unseren Treffen erzählt habe. Vielleicht haben sie das Ganze irgendwann letzte Woche geplant – in der Woche, über die ich nichts weiß.
    »Dann leg dich doch hin«, sagt Ben.
    Ich höre mich selbst sprechen. »Ich glaub, das mach ich auch.« Ich wende mich dem Bett zu. Vielleicht hatten sie ja schon die ganze Zeit Kontakt? Dr. Nash könnte mich die ganze Zeit belogen haben. Ich stelle ihn mir vor, wie er Ben anruft, nachdem er sich von mir verabschiedet hat, ihm erzählt, was ich für Fortschritte mache oder auch nicht.
    »Braves Mädchen«, sagt Ben. »Ich hab vergessen, Champagner mitzubringen. Ich glaube, ich geh rasch welchen besorgen. Ich hab da einen Laden gesehen. Nicht weit von hier.« Er lächelt. »Dann bin ich ganz für dich da.«
    Ich drehe mich zu ihm um, und er küsst mich. Jetzt, hier, küsst er mich lange. Er liebkost meine Lippen mit seinen, greift mir mit einer Hand ins Haar, streichelt mir mit der anderen den Rücken. Ich unterdrücke den Drang, mich loszureißen. Seine Hand gleitet über meinen Rücken nach unten und verweilt oben auf meinen Pobacken. Ich schlucke schwer.
    Ich kann niemandem trauen. Nicht meinem Ehemann. Nicht dem Mann, der behauptet hat, mir zu helfen. Sie haben sich zusammengetan, auf diesen Tag hingearbeitet, den sie zu dem Tag bestimmt haben, an dem ich mich dem Schrecken meiner Vergangenheit stellen soll.
    Was fällt ihnen ein? Was fällt ihnen bloß ein?
    »Okay«, sage ich. Ich wende den Kopf ein wenig zur Seite, schiebe Ben sachte weg, damit er mich loslässt.
    Er dreht sich um und geht aus dem Zimmer. »Ich schließ lieber ab«, sagt er, als er die Tür hinter sich zuzieht. »Man kann nicht vorsichtig genug sein …« Ich höre, wie sich draußen der Schlüssel im Schloss dreht, und gerate in Panik. Will er wirklich Champagner holen? Oder trifft er sich mit Dr. Nash? Ich komme nicht darüber hinweg, dass er mich in dieses Zimmer gebracht hat, ohne mir etwas zu sagen. Eine weitere Lüge nach so vielen anderen. Ich höre ihn die Treppe hinuntergehen.
    Händeringend setze ich mich auf die Bettkante. In meinem Kopf tobt es, so viele Gedanken rasen durcheinander, dass ich keinen bestimmten fassen kann, als hätte in einem Verstand ohne Erinnerung jeder einzelne von ihnen zu viel Platz, um zu wachsen und herumzuwirbeln, um mit anderen in einem Funkenschauer zu kollidieren und sich dann in seiner eigenen Einsamkeit zu verlieren.
    Ich stehe auf. Wutschäumend. Die Vorstellung, dass er zurückkommt, Champagner einschenkt, sich zu mir ins Bett legt, ist unerträglich. Ebenso unerträglich wie die Vorstellung, in der Nacht seine Haut an meiner zu spüren oder seine Hände auf mir, wie sie mich begrapschen, mich drücken, mich bedrängen, mich ihm hinzugeben. Wie kann ich das, wo es doch kein Ich gibt, das sich ihm hingeben könnte?
    Ich würde alles tun, denke ich. Alles, nur das nicht.
    Ich kann nicht hierbleiben, an diesem Ort, wo mein Leben zerstört und mir alles genommen wurde. Ich überlege, wie viel Zeit mir bleibt. Zehn Minuten? Fünf? Ich gehe zu Bens Tasche hinüber und öffne sie. Ich weiß nicht, warum; ich denke nicht mehr, warum oder wie, nur dass ich etwas tun

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