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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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Verhalten, aber ich weiß, dass du mich belügst.«
    Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, bereute ich ihn auch schon. Ich sah, wie er zusammenzuckte. Er blickte mich an, die Lippen geöffnet, als wollte er etwas sagen, die Augen gekränkt.
    »Was soll das heißen?«, fragte er. »Schatz –«
    Ich musste weitermachen. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr aus dem Strom, in den ich hineingewatet war.
    »Ich weiß, du verschweigst mir bestimmte Dinge, um mich zu schützen, aber damit muss Schluss sein. Ich muss alles wissen.«
    »Was soll das heißen?«, sagte er. »Ich belüge dich nicht.«
    Erste Wut stieg in mir hoch. »Ben«, sagte ich. »Ich weiß von Adam.«
    Da veränderte sich sein Gesicht. Ich sah, wie er schluckte und wegschaute, in die Ecke des Zimmers. Er wischte sich irgendwas vom Ärmel seines Pullovers. »Was?«
    »Adam«, sagte ich. »Ich weiß, dass wir einen Sohn hatten.«
    Ich rechnete halb mit der Frage, woher ich das wusste, doch dann wurde mir klar, dass dieses Gespräch nicht neu war. Wir hatten es schon öfter geführt, an dem Tag, an dem ich meinen Roman sah, und auch an anderen Tagen, wenn ich mich an Adam erinnert hatte.
    Ich sah ihm an, dass er etwas sagen wollte, aber ich wollte keine Lügen mehr hören.
    »Ich weiß, dass er in Afghanistan gestorben ist«, sagte ich.
    Sein Mund klappte zu, öffnete sich wieder, fast komisch.
    »Woher weißt du das?«
    »Du hast es mir erzählt«, sagte ich. »Vor Wochen. Du hast einen Keks gegessen, und ich war im Bad. Ich bin nach unten gekommen und hab dir erzählt, dass ich mich an unseren Sohn erinnert hatte, sogar an seinen Namen, und dann haben wir uns hingesetzt, und du hast mir erzählt, wie er ums Leben gekommen ist. Du hast mir Fotos gezeigt, aus dem Arbeitszimmer. Fotos von mir und ihm, und Briefe, die er geschrieben hat. Einen Brief an den Weihnachtsmann –« Trauer durchflutete mich. Ich verstummte.
    Ben starrte mich an. »Daran hast du dich erinnert? Wie –?«
    »Ich schreibe mir Sachen auf. Schon seit ein paar Wochen. Alles, woran ich mich erinnern kann.«
    »Wo?«, sagte er. Seine Stimme war lauter geworden, klang fast wütend, obwohl ich nicht verstand, warum er wütend sein sollte. »Wo schreibst du dir Sachen auf? Ich versteh das nicht, Christine. Wo schreibst du dir Sachen auf?«
    »In einem Notizbuch.«
    »Notizbuch?« Aus seinem Munde klang es richtig banal, als hätte ich es benutzt, um Einkaufszettel zu schreiben und mir Telefonnummern zu notieren.
    »Ich führe Tagebuch«, sagte ich.
    Er rutschte in seinem Sessel nach vorne, als wollte er aufstehen. »Tagebuch? Wie lange genau?«
    »Ich weiß nicht. Zwei Wochen?«
    »Kann ich es sehen?«
    Ich war gereizt und erbost. Ich war fest entschlossen, es ihm nicht zu zeigen. »Nein«, sagte ich. »Noch nicht.«
    Er wurde wütend. »Wo ist es? Zeig es mir.«
    »Ben. Es ist persönlich.«
    Er schleuderte mir das Wort entgegen. »Persönlich? Was soll das heißen, persönlich?«
    »Ich meine, es ist vertraulich. Mir wäre nicht wohl dabei, wenn du es lesen würdest.«
    »Wieso nicht?«, sagte er. »Hast du was über mich geschrieben?«
    »Natürlich.«
    »Was hast du geschrieben? Was?«
    Wie sollte ich darauf antworten? Ich dachte daran, wie oft ich ihn hintergangen habe. Was ich alles zu Dr. Nash gesagt und wie ich über ihn gedacht habe. Wie oft ich meinem Mann misstraut habe, was ich ihm alles zugetraut habe. Ich dachte daran, wie oft ich ihn belogen habe, an meine heimlichen Treffen mit Dr. Nash – und Claire.
    »So allerhand, Ben. Ich habe so allerhand aufgeschrieben.«
    »Aber warum? Warum schreibst du dir Sachen auf?«
    Dass er mich das tatsächlich fragte, verschlug mir beinahe die Sprache. »Ich möchte mein Leben verstehen«, sagte ich. »Ich möchte einen Tag mit dem nächsten verbinden können, genau wie du das kannst. Wie das jeder kann.«
    »Aber warum? Bist du unglücklich? Liebst du mich nicht mehr? Willst du nicht mit mir zusammen sein, hier?«
    Die Frage verblüffte mich. Wie kam er darauf, dass der Wunsch, mein zerstückeltes Leben zu verstehen, gleichbedeutend damit war, dass ich es irgendwie ändern wollte?
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Was ist Glück? Ich bin glücklich, wenn ich aufwache, glaube ich, obwohl, wenn heute Morgen ein Maßstab ist, bin ich verwirrt. Aber ich bin nicht glücklich, wenn ich in den Spiegel schaue und sehe, dass ich zwanzig Jahre älter bin, als ich dachte, dass ich graues Haar habe und Falten um die Augen. Ich bin nicht glücklich, wenn

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