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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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Achseln.
    Mein ganzer Körper spannte sich an. Ich sah mich, wie ich ihn fragte, ob er gern mit mir mitkommen würde. Zu mir nach Hause. Um bei mir zu leben. Ich stellte mir vor, wie sein Gesicht aufleuchten würde, noch während er sagte, er solle nicht mit Fremden mitgehen.
Aber ich bin doch keine Fremde
, würde ich sagen. Ich würde ihn hochheben – er würde schwer sein und süß riechen, wie Schokolade –, und zusammen würden wir in das Café gehen.
Was für einen Saft möchtest du?
, würde ich sagen, und er würde sich einen Apfelsaft wünschen. Ich würde ihm ein Glas kaufen und obendrein ein paar Süßigkeiten, und dann würden wir den Park verlassen. Auf dem Weg zurück nach Hause, zurück zu dem Haus, in dem ich zusammen mit meinem Mann wohnte, würde er meine Hand halten, und am Abend würde ich ihm Fleisch kleinschneiden und Kartoffeln zerstampfen, und wenn er dann seinen Pyjama angezogen hätte, würde ich ihm eine Geschichte vorlesen, bevor ich seinen schlafenden Körper warm zudeckte und ihm einen Kuss oben auf den Kopf gab. Und morgen –
    Morgen? Ich habe kein Morgen
, dachte ich. Genau wie ich kein Gestern habe.
    »Mummy!«, rief er. Einen Moment lang dachte ich, er meinte mich, aber er sprang von dem Karussell und lief in Richtung Café.
    »Alfie!«, rief ich ihm nach, doch dann sah ich eine Frau auf uns zukommen, in jeder Hand einen Plastikbecher.
    Sie ging in die Hocke, als er bei ihr war. »Alles klar, Tiger?«, sagte sie, als er die Arme um sie schlang. Dann blickte sie auf, an ihm vorbei, zu mir herüber. Ihre Augen wurden schmal, ihr Gesichtsausdruck hart.
Ich hab nichts Unrechtes getan!
, wollte ich rufen.
Lassen Sie mich in Ruhe!
    Aber ich tat es nicht. Stattdessen schaute ich woanders hin, und dann, nachdem sie mit Alfie weggegangen war, sprang ich vom Karussell. Der Himmel wurde jetzt dunkel, färbte sich tintenblau. Ich setzte mich auf eine Bank. Ich wusste nicht, wie spät es war oder wie lange ich schon unterwegs war. Ich wusste nur, dass ich nicht nach Hause konnte, noch nicht. Ich konnte Ben nicht gegenübertreten. Ich fand den Gedanken unerträglich, so tun zu müssen, als wüsste ich nichts von Adam, als hätte ich keine Ahnung, dass ich ein Kind gehabt hatte. Einen Moment lang wollte ich ihm alles erzählen. Von meinem Tagebuch. Von Dr. Nash. Alles. Doch ich verdrängte den Gedanken gleich wieder. Ich wollte nicht nach Haus, konnte aber auch nirgendwo anders hin.
    Als der Himmel schwarz wurde, stand ich auf und ging los.
     
    Das Haus lag im Dunkeln. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, als ich die Haustür öffnete. Ben würde mich vermissen. Er hatte gesagt, er wäre um fünf wieder zu Hause. Ich malte mir aus, wie er nervös im Wohnzimmer auf und ab schritt – aus irgendeinem Grund ergänzte meine Phantasie diese Szene um eine brennende Zigarette, obwohl ich ihn heute Morgen nicht hatte rauchen sehen –, oder vielleicht war er nicht da, fuhr die Straßen ab und suchte nach mir. Ich stellte mir Suchtrupps von Polizisten und Freiwilligen vor, die mit einem fotokopierten Bild von mir die Häuser abklapperten, und hatte Gewissensbisse. Ich versuchte, mich damit zu beruhigen, dass ich, auch wenn ich keine Erinnerungen hatte, kein Kind mehr war, keine Vermisste, noch nicht, trotzdem lag mir eine Entschuldigung auf der Zunge, als ich die Haustür hinter mir schloss.
    Ich rief: »Ben?«, und obwohl keine Antwort kam, nahm ich eine Bewegung wahr, spürte sie mehr, als dass ich sie hörte. Ein knarrendes Dielenbrett, irgendwo über mir, eine fast unmerkliche Verschiebung in der Ruhe des Hauses. Ich rief erneut, diesmal lauter: »Ben?«
    »Christine?«, ertönte eine Stimme. Sie klang schwach, brüchig.
    »Ben«, sagte ich. »Ben, ich bin’s. Ich bin wieder da.«
    Er tauchte oben an der Treppe auf. Er sah aus, als hätte er geschlafen. Er trug noch die Sachen, die er am Morgen zur Arbeit angezogen hatte, doch jetzt war sein Hemd zerknittert und hing lose aus der Hose, und seine Haare standen kreuz und quer, was seine verstörte Miene irgendwie komisch unterstrich, als wäre er elektrisch aufgeladen. Eine Erinnerung schwebte durch mich hindurch – Physikunterricht und Van-de-Graaff-Generatoren –, drang aber nicht an die Oberfläche.
    Er kam die Treppe herunter auf mich zu. »Chris, du bist zu Hause!«
    »Ich … ich musste ein bisschen frische Luft schnappen«, sagte ich.
    »Gott sei Dank«, sagte er. Er kam zu mir und nahm meine Hand. Er ergriff sie, als wollte

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