Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
allerwenigsten. Er kam mir zu real vor, und ich war in demselben Bett aufgewacht wie dem in dem Traum, neben einem Mann, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Und jetzt, jetzt, wo ich nach Dr. Nashs Anruf das Tagebuch gelesen habe, bildet sich ein Gedanke.
Könnte es eine Erinnerung gewesen sein?
Eine Erinnerung, die ich von der Nacht zuvor behalten hatte?
Ich weiß es nicht. Falls ja, dann ist das ein Zeichen dafür, dass ich Fortschritte mache, schätze ich. Aber es bedeutet auch, dass Ben sich mir aufgezwungen hat, und, schlimmer noch, dass ich, während er das tat, einen bärtigen Fremden gesehen habe, mit einer Narbe im Gesicht. Es kommt mir grausam vor, dass ich von allen möglichen Erinnerungen ausgerechnet diese bewahrt habe.
Aber vielleicht hat es ja auch nichts zu bedeuten. Es war bloß ein Traum. Bloß ein Albtraum. Ben liebt mich, und der bärtige Fremde existiert nicht.
Aber wie kann ich mir dessen je sicher sein?
Später traf ich mich mit Dr. Nash. Wir saßen in seinem Auto an einer roten Ampel, Dr. Nash trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad, nicht ganz im Takt mit der Musik aus dem CD -Player – Popmusik, die ich weder kannte noch mochte –, während ich geradeaus blickte. Ich hatte ihn heute Morgen angerufen, gleich nachdem ich mein Tagebuch gelesen und meinen Traum aufgeschrieben hatte, der eine Erinnerung gewesen sein könnte. Ich musste mit jemandem sprechen – die Neuigkeit, dass ich Mutter gewesen war, hatte sich wie ein winziger Riss in meinem Leben angefühlt, und jetzt drohte er sich auszuweiten, es zu zerfetzen. Dr. Nash hatte vorgeschlagen, unsere wöchentliche Sitzung auf heute vorzuverlegen. Er hatte mich gebeten, mein Tagebuch mitzubringen. Ich hatte ihm nicht erzählt, was los war, wollte damit warten, bis wir in seiner Praxis waren, doch jetzt wusste ich nicht, ob ich das schaffen würde.
Die Ampel sprang auf Grün. Er hörte mit der Trommelei auf und fuhr mit einem Ruck wieder an.
»Warum erzählt Ben mir nicht von Adam?«, hörte ich mich sagen. »Ich verstehe das nicht. Warum?«
Er warf mir einen Blick zu, sagte aber nichts. Wir fuhren ein Stück weiter. Ein Plastikhund, der im Auto vor uns auf der Kofferraumablage saß, nickte komisch mit dem Kopf, und dahinter konnte ich das blonde Haar eines kleinen Jungen sehen. Ich dachte an Alfie.
Dr. Nash hustete. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Dann stimmte es also. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde fragen, wovon ich eigentlich rede, doch sobald ich das Wort Adam ausgesprochen hatte, war mir klargeworden, wie vergeblich die Hoffnung gewesen war, wie töricht. Adam fühlt sich real an. Er existiert, in mir, in meinem Bewusstsein, nimmt Raum ein wie kein anderer. Nicht wie Ben oder Dr. Nash. Nicht einmal wie ich selbst.
Ich wurde wütend. Er hatte es die ganze Zeit gewusst.
»Und Sie«, sagte ich. »Sie haben mir meinen Roman gegeben. Wieso haben Sie kein Wort von Adam gesagt?«
»Christine«, sagte er. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Ich starrte geradeaus. »Ich hatte eine Erinnerung«, sagte ich.
Er warf mir einen Seitenblick zu. »Im Ernst?« Ich sagte nichts. »Christine«, sagte er. »Ich will Ihnen helfen.«
Ich erzählte es ihm. »Es war neulich«, sagte ich. »Als Sie mir meinen Roman gegeben haben. Ich habe mir das Foto angesehen, auf dem Zeitungsausschnitt, den Sie beigelegt hatten, und plötzlich konnte ich mich an den Tag erinnern, als es gemacht wurde. Ich kann nicht sagen, warum. Es ist mir einfach so eingefallen. Und ich konnte mich erinnern, dass ich schwanger war.«
Er sagte nichts.
»Sie wussten von ihm?«, sagte ich. »Von Adam?«
Er sprach langsam. »Ja«, sagte er. »Ich wusste es. Es steht in Ihrer Akte. Er war ein paar Jahre alt, als Sie Ihr Gedächtnis verloren.« Er stockte. »Außerdem haben wir schon mal über ihn gesprochen.«
Ich spürte, wie mir kalt wurde. Ich fröstelte, trotz der Wärme im Auto. Ich wusste, dass es möglich war, sogar wahrscheinlich, dass ich mich vorher schon an Adam erinnert hatte, aber diese nackte Wahrheit – dass ich das alles schon mal durchgemacht hatte und es folglich wieder durchmachen würde – erschütterte mich.
Er schien meine Verblüffung zu spüren.
»Vor ein paar Wochen«, sagte er. »Sie haben mir erzählt, Sie hätten ein Kind gesehen, auf der Straße. Einen kleinen Jungen. Zuerst hatten Sie das überwältigende Gefühl, ihn zu kennen, dass er sich verirrt hatte, aber nach Hause kam, zu Ihnen, und dass Sie seine
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