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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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möglich hielt. Mir blieben bloß die banalen Tatsachen. »Ich vermute, es ist einfacher für ihn. Es mir nicht zu erzählen, wenn ich mich sowieso nicht erinnern kann.«
    »Warum ist es einfacher für ihn?«
    »Weil es mich so fertigmacht? Es muss entsetzlich sein, mir das tagtäglich aufs Neue erzählen zu müssen, nicht nur, dass ich einen Sohn hatte, sondern auch, dass er gestorben ist. Noch dazu auf so grässliche Art und Weise.«
    »Fallen Ihnen noch andere Gründe ein?«
    Ich schwieg, und dann begriff ich. »Na ja, es muss auch für ihn hart sein. Er war Adams Vater und, na ja …« Ich dachte daran, dass er nicht nur seine eigene Trauer bewältigen musste, sondern auch noch meine.
    »Es ist schwer für Sie, Christine«, sagte er. »Aber Sie sollten sich klarmachen, dass es auch für Ben schwer ist. In gewisser Weise noch schwerer. Er liebt Sie sehr, denke ich, und –«
    »– und ich kann mich nicht mal daran erinnern, dass es ihn gibt.«
    »Genau«, sagte er.
    Ich seufzte. »Ich muss ihn mal geliebt haben. Schließlich hab ich ihn geheiratet.« Er sagte nichts. Ich dachte an den Fremden, neben dem ich heute Morgen aufgewacht war, an die Fotos von unserem gemeinsamen Leben, die ich gesehen hatte, an den Traum – oder die Erinnerung –, den ich in der Nacht gehabt hatte. Ich dachte an Adam und Alfie, daran, was ich getan hatte oder überlegt hatte zu tun. Panik stieg in mir auf. Ich fühlte mich wie in der Falle, als gäbe es keinen Ausweg, und meine Gedanken jagten mal hierhin, mal dorthin, auf der Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit.
    Ben
, dachte ich bei mir.
Ich kann mich an Ben klammern. Er ist stark.
    »Was für ein Chaos«, sagte ich. »Ich bin einfach überfordert.«
    Er wandte sich mir wieder zu. »Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun, um Ihnen das alles leichter zu machen.«
    Er sah aus, als ob er es ehrlich meinte, als ob er tun würde, was in seiner Macht stand, um mir zu helfen. In seinen Augen lag etwas Zärtliches, auch in der Art, wie seine Hand auf meiner lag, und auf einmal, im Halbdunkel der Tiefgarage, fragte ich mich, was passieren würde, wenn ich meine Hand auf seine legte oder den Kopf leicht vorbeugte, ihm in die Augen blickte und dabei den Mund öffnete, nur ein klein wenig. Würde er sich auch vorbeugen? Würde er mich küssen wollen? Würde ich ihn lassen?
    Oder würde er mich lächerlich finden? Absurd? Auch wenn ich heute Morgen nach dem Aufwachen dachte, ich wäre Mitte zwanzig, ich bin es nicht. Ich bin fast fünfzig. Beinahe alt genug, um seine Mutter zu sein. Also sah ich ihn stattdessen einfach nur an. Er saß völlig reglos da, sah mich an. Er wirkte stark. Stark genug, um mir zu helfen. Mich zu stützen.
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ohne zu wissen, was, doch das gedämpfte Klingeln eines Telefons kam mir zuvor. Dr. Nash rührte sich nicht, außer dass er seine Hand wegnahm, und ich begriff, dass es mein Telefon sein musste.
    Ich holte das klingelnde Telefon aus meiner Handtasche. Es war nicht das Aufklappbare, sondern das, was mein Mann mir gegeben hatte.
Ben
, stand auf dem Display.
    Beim Anblick seines Namens wurde mir bewusst, wie ungerecht ich war. Auch er hatte einen Sohn verloren. Und er musste damit leben, jeden Tag, ohne mit mir darüber reden zu können, ohne sich hilfesuchend an seine Frau wenden zu können.
    Und er tat das alles aus Liebe.
    Und ich saß hier, in einer Tiefgarage, mit einem Mann, von dessen Existenz er kaum wusste. Ich dachte an die Fotos, die ich am Morgen gesehen hatte, in dem Album. Ich und Ben, wieder und wieder. Lächelnd. Glücklich. Verliebt. Wenn ich jetzt nach Hause ginge und sie mir anschaute, würde ich auf ihnen vielleicht nur das sehen, was fehlte. Adam. Doch es sind dieselben Bilder, und wir blicken einander darauf an, als gäbe es niemanden sonst auf der Welt.
    Wir hatten uns geliebt; das war offensichtlich.
    »Ich ruf ihn später zurück«, sagte ich. Ich steckte das Telefon wieder ein.
Ich sag es ihm heute Abend
, dachte ich.
Das mit dem Tagebuch. Dr. Nash. Alles.
    Dr. Nash hüstelte. »Wir sollten nach oben in die Praxis gehen«, sagte er. »Und anfangen.«
    »Natürlich«, sagte ich. Ich sah ihn nicht an.
    ***
    Ich fing schon an, das hier zu schreiben, während Dr. Nash mich nach Hause fuhr. Vieles davon ist kaum lesbar, ein hastiges Gekritzel. Dr. Nash sagte nichts, während ich schrieb, doch ich sah, wie er herüberschielte, wenn ich nach dem richtigen Wort oder einer besseren Formulierung

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