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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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leben. Sie hat gesagt, kein Mensch hätte sie mehr lieben können als Ben. Er hat sie fast jeden Tag besucht. Sie hat gesagt, dass er in Ihrem Zimmer oder im Park einfach bei Ihnen gesessen hat. Und er hat sich immer bemüht, fröhlich zu sein, so schwer das alles auch war. Das ganze Personal hat ihn gut kennengelernt. Alle haben sich auf seine Besuche gefreut.« Er stockte einen Moment. »Wie wär’s, wenn Sie Ben vorschlagen, mit uns zusammen hinzufahren?« Wieder ein Stocken. »Ich sollte ihn ohnehin allmählich mal kennenlernen.«
    »Sind Sie ihm denn noch nie begegnet?«
    »Nein«, sagte er. »Wir haben nur kurz telefoniert, als ich ihn damals gefragt habe, ob ich Sie sehen könnte. Ist nicht besonders gut gelaufen …«
    Plötzlich begriff ich. Deshalb sollte ich Ben vorschlagen, mit uns zum Waring House zu fahren. Er wollte ihn endlich kennenlernen. Er wollte, dass sich alles offen abspielt, damit sich eine peinliche Situation wie gestern nie wiederholt.
    »Okay«, sagte ich. »Wenn Sie meinen.«
    Er sagte, das tue er. Dann wartete er einen langen Augenblick, ehe er fragte: »Christine? Sie haben gesagt, Sie hätten Ihr Tagebuch gelesen?«
    »Ja«, sagte ich. Er wartete erneut. »Ich hab heute Morgen nicht angerufen. Ich hab Ihnen nicht gesagt, wo Sie es versteckt haben.«
    Mir wurde bewusst, dass das stimmte. Ich war von allein zum Kleiderschrank gegangen, und obwohl ich nicht wusste, was ich darin finden würde, hatte ich den Schuhkarton gesehen und ihn geöffnet, fast ohne nachzudenken. Ich hatte das Tagebuch von selbst gefunden. Beinahe als hätte ich mich erinnert, dass es dort war.
    »Das ist ausgezeichnet«, sagte er.
    ***
    Ich schreibe das hier im Bett. Es ist spät, doch Ben ist in seinem Arbeitszimmer, auf der anderen Seite des Flurs. Ich kann ihn arbeiten hören, das Klackern der Tastatur, das Klicken der Maus. Dann und wann höre ich ein Seufzen, das Knarren seines Sessels. Ich stelle mir vor, wie er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm starrt, hochkonzentriert. Ich baue darauf, dass ich höre, wenn er seinen Computer ausschaltet, um ins Bett zu gehen, damit ich noch Zeit habe, mein Tagebuch zu verstecken. Obwohl ich heute Mittag noch der gleichen Meinung war wie Dr. Nash, möchte ich inzwischen auf keinen Fall, dass mein Mann erfährt, was ich alles aufgeschrieben habe.
    Ich habe heute Abend beim Essen mit ihm gesprochen. »Kann ich dich was fragen?«, sagte ich, und dann, als er aufblickte: »Wieso haben wir keine Kinder?« Ich schätze, ich wollte ihn auf die Probe stellen. Ich wünschte mir, dass er die Wahrheit sagte, meiner Behauptung widersprach.
    »Irgendwie war es nie der richtige Zeitpunkt«, sagte er. »Und dann war es zu spät.«
    Ich schob meinen noch halbvollen Teller beiseite. Ich war enttäuscht. Er war spät nach Hause gekommen, hatte gleich in der Diele meinen Namen gerufen, gefragt, ob alles in Ordnung sei. »Wo steckst du?«, hatte er gesagt. Es hatte geklungen wie ein Vorwurf.
    Ich rief, dass ich in der Küche sei. Ich war beim Kochen, schnitt Zwiebeln klein, die ich in dem Olivenöl anbraten wollte, das in der Pfanne heiß wurde. Er blieb in der Tür stehen, als zögere er, den Raum zu betreten. Er sah müde aus. Unzufrieden. »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Er sah das Messer in meiner Hand. »Was machst du da?«
    »Abendessen«, sagte ich. Ich lächelte, doch er lächelte nicht zurück. »Ich hab gedacht, ich mach uns ein Omelett. Im Kühlschrank waren noch Eier und Pilze. Haben wir irgendwo Kartoffeln? Ich konnte nirgends welche finden, ich –«
    »Ich hatte für heute Abend Koteletts vorgesehen«, sagte er. »Ich hab welche gekauft. Gestern. Ich dachte, wir essen die.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich –«
    »Aber nein. Omelett ist in Ordnung. Wenn du darauf Lust hast.«
    Ich spürte, wie das Gespräch in eine Richtung abglitt, die mir nicht gefiel. Er starrte auf das Schneidebrett, über dem meine Hand schwebte, das Messer umklammert.
    »Nein«, sagte ich. Ich lachte, aber er lachte nicht mit mir. »Nicht unbedingt. Ich wusste nichts von den Koteletts. Ich kann doch –«
    »Du hast ja schon die Zwiebeln geschnitten«, sagte er. Seine Worte waren tonlos. Eine nüchterne Feststellung.
    »Ich weiß, aber … Wir könnten die Koteletts doch immer noch machen, oder?«
    »Ganz wie du meinst«, sagte er. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging Richtung Esszimmer. »Ich deck den Tisch.«
    Ich antwortete nicht. Ich wusste nicht, ob ich irgendetwas

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