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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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leidtun
. Zuerst dachte ich, ich läge neben einem Mann, der nicht mein Mann war, und erst später fand ich die Wahrheit heraus. Dass ich ihn betrogen habe. Zweimal. Das erste Mal vor Jahren, mit einem Mann, der mir am Ende alles nehmen würde, und jetzt habe ich es wieder getan, zumindest im Herzen. Ich habe mich wie ein alberner Backfisch in einen Arzt verknallt, der versucht, mir zu helfen, versucht, mich zu trösten. Ein Arzt, den ich mir im Augenblick nicht mal ansatzweise vorstellen kann, an den ich nicht die geringste Erinnerung habe, der aber, wie ich weiß, deutlich jünger ist als ich und eine Freundin hat. Und jetzt habe ich ihm gesagt, was ich empfinde! Aus Versehen zwar, aber ich habe es ihm gesagt. Ich habe nicht nur Gewissensbisse. Ich komme mir lächerlich vor. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, was mich dazu gebracht haben muss. Ich bin jämmerlich.
    Dort, beim Polieren des Glases, traf ich eine Entscheidung. Auch wenn Ben nicht wie ich der Auffassung ist, dass meine Behandlung etwas nützt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er mir die Gelegenheit verbauen wird, das selbst herauszufinden. Nicht, wenn ich es wirklich will. Ich bin eine erwachsene Frau, er ist kein Unmensch; bestimmt kann ich ihm die Wahrheit anvertrauen.
    Ich schüttete das Putzwasser in die Spüle und füllte den Eimer erneut. Ich werde meinem Mann alles erzählen. Heute Abend. Wenn er nach Hause kommt. So kann es nicht weitergehen. Ich nahm mir das nächste Fenster vor.
    ***
    Das habe ich vor einer Stunde geschrieben, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich denke an Adam. Ich habe von den Fotos in der Metallschatulle gelesen, doch noch immer sind nirgendwo im Haus Bilder von ihm zu sehen. Nicht eines. Ich kann nicht glauben, dass Ben, dass überhaupt jemand imstande wäre, sämtliche Spuren des Sohnes, den er verloren hat, aus dem eigenen Haus zu entfernen. Es kommt mir nicht richtig vor, es kommt mir unmöglich vor. Kann ich einem Mann vertrauen, der zu so etwas in der Lage ist? Ich erinnerte mich, gelesen zu haben, dass ich ihn an dem Tag, als wir auf einer Bank auf dem Parliament Hill saßen, direkt darauf angesprochen hatte. Er hatte gelogen. Ich blättere jetzt in meinem Tagebuch zurück und lese die Stelle noch einmal.
Wir haben keine Kinder bekommen
, hatte ich gesagt, und er hatte erwidert,
Nein. Nein, das haben wir nicht
. Kann es denn wirklich sein, dass er mich mit der Lüge nur schützen wollte? Kann er wirklich glauben, dass es so am besten ist? Mir immer nur das zu erzählen, was er erzählen muss, was zweckmäßig ist?
    Und was am schnellsten geht. Wahrscheinlich langweilt es ihn zu Tode, mir immer dasselbe zu erzählen, wieder und wieder, Tag für Tag. Mir kommt der Gedanke, dass der Grund, warum er Erklärungen verkürzt und Geschichten abändert, gar nichts mit mir zu tun haben muss. Vielleicht macht er das, damit er sich durch die ständige Wiederholung nicht selbst in den Wahnsinn treibt.
     
    Ich habe das Gefühl, verrückt zu werden. Alles ist im Fluss, alles ist in Bewegung. Ich denke eine Sache und im nächsten Moment das Gegenteil. Ich glaube alles, was mein Mann sagt, und dann glaube ich nichts. Ich vertraue ihm und dann wieder nicht. Nichts fühlt sich real an, alles erfunden. Sogar ich selbst.
    Ich wünschte, ich wüsste auch nur eine Sache mit Sicherheit. Eine einzige Sache, die mir nicht erzählt werden muss, an die ich nicht erinnert werden muss.
    Ich wünschte, ich wüsste, mit wem ich zusammen war, an jenem Tag in Brighton. Ich wünschte, ich wüsste, wer mir das angetan hat.
    ***
    Später. Ich habe gerade mit Dr. Nash gesprochen. Ich döste im Wohnzimmer, als das Telefon klingelte, der Fernseher lief, mit leisegestelltem Ton. Einen Moment lang konnte ich nicht sagen, wo ich war, ob ich schlief oder wach war. Ich meinte, Stimmen zu hören, die lauter wurden. Ich begriff, dass eine davon meine war, und die andere klang wie Ben. Doch er sagte,
Du blödes Miststück
und Schlimmeres. Ich schrie ihn an, vor Wut, und dann vor Angst. Eine Tür knallte, das Geräusch eines Faustschlags, splitterndes Glas. In dem Moment merkte ich, dass ich träumte.
    Ich öffnete die Augen. Eine angeschlagene Tasse kalter Kaffee stand vor mir auf dem Tisch, ein Telefon surrte daneben. Das aufklappbare. Ich ging ran.
    Es war Dr. Nash. Er stellte sich vor, obwohl mir seine Stimme gleich irgendwie vertraut vorgekommen war. Er fragte mich, ob es mir gutging. Ich bejahte und sagte, ich hätte mein Tagebuch

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