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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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ganz verstehe. Aber Ben? Ich finde ihn attraktiv. Ich vertraue ihm – trotz der Lügen, die er mir aufgetischt hat, weiß ich, dass ihm mein Wohl am Herzen liegt –, doch wie kann ich sagen, ich liebe ihn, wenn mir nur vage bewusst ist, dass ich ihn länger als ein paar Stunden kenne?
    Ich wusste es nicht. Aber ich wollte ihn glücklich sehen, und auf einer gewissen Ebene wusste ich, dass ich der Mensch sein wollte, der ihn glücklich macht. Ich muss mir mehr Mühe geben, beschloss ich. Aktiv werden. Mein Tagebuch könnte ein Mittel sein, um unser beider Leben zu verbessern, nicht bloß meines.
     
    Ich wollte ihn gerade fragen, wie es ihm gehe, als es passierte. Ich hatte den Teller wohl losgelassen, ehe er ihn richtig packen konnte; er fiel zu Boden – begleitet von einem geknurrten
Scheiße!
aus Bens Mund – und zersprang in tausend kleine Stücke. »Tut mir leid!«, sagte ich, doch Ben sah mich nicht an. Er bückte sich leise fluchend. »Ich mach das schon«, sagte ich, aber er achtete gar nicht auf mich und fing an, die größeren Teile in der rechten Hand aufzusammeln.
    »Tut mir leid!«, sagte ich wieder. »Ich bin so ungeschickt!«
    Ich weiß nicht, was ich erwartete. Vergebung wahrscheinlich, oder die Beruhigung, dass es nicht weiter schlimm wäre. Doch stattdessen sagte Ben: »Scheiße!« Er ließ die Scherben wieder fallen und fing an, am linken Daumen zu saugen. Blutstropfen fielen auf das Linoleum.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Er sah zu mir hoch. »Ja doch. Ich hab mich bloß geschnitten. Verdammte Scheiße …«
    »Lass mal sehen.«
    »Ist nichts weiter«, sagte er. Er richtete sich auf.
    »Lass mal sehen«, sagte ich wieder. Ich griff nach seiner Hand. »Ich hole dir einen Verband. Oder ein Pflaster. Haben wir –?«
    »Verdammt nochmal!«, sagte er und schlug meine Hand weg. »Lass gut sein! Ja?«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich sah, dass der Schnitt tief war. Blut quoll hervor und rann in einer dünnen Linie an Bens Handgelenk herunter. Ich wusste nicht, was ich tun, was ich sagen sollte. Er hatte nicht direkt geschrien, aber er hatte auch keinen Hehl aus seiner Verärgerung gemacht. Wir standen einander gegenüber, erstarrt, dicht am Rande eines Streits, warteten beide auf ein Wort vom anderen, unsicher, was geschehen war, wie viel Bedeutung dem Augenblick zuzumessen war.
    Ich hielt es nicht länger aus. »Es tut mir leid«, sagte ich, obwohl ein Teil von mir sich darüber ärgerte.
    Sein Gesicht wurde sanfter. »Schon gut. Mit tut es auch leid.« Er zögerte. »Ich bin zu nervös, glaube ich. Es war ein langer Tag.«
    Ich holte ein Stück Küchenpapier und reichte es ihm. »Hier. Wisch dir das Blut ab.«
    Er nahm es. »Danke«, sagte er und tupfte das Blut an Handgelenk und Fingern ab. »Ich geh besser nach oben. Unter die Dusche.« Er beugte sich vor, küsste mich. »Okay?«
    Er drehte sich um und verließ die Küche.
    Ich hörte, wie oben die Badezimmertür geschlossen wurde, das Wasser aufgedreht. Der Boiler neben mir sprang an. Ich sammelte die Tellerscherben auf, wickelte sie in Papier und warf sie in den Abfalleimer. Dann fegte ich die kleineren Splitter zusammen, ehe ich das Blut aufwischte. Anschließend ging ich ins Wohnzimmer.
    Das aufklappbare Telefon klingelte, gedämpft durch die Handtasche. Ich holte es hervor. Dr. Nash.
     
    Der Fernseher war noch eingeschaltet. Über mir hörte ich Dielen knarren, als Ben oben von Zimmer zu Zimmer ging. Damit er nicht mitbekam, dass ich mit einem Handy telefonierte, von dem er nichts wusste, flüsterte ich: »Hallo?«
    »Christine«, meldete sich die Stimme. »Ich bin’s, Ed. Dr. Nash. Können Sie reden?«
    Am Nachmittag hatte er ruhig geklungen, fast nachdenklich, doch jetzt hatte seine Stimme einen dringenden Tonfall. Ich bekam Angst.
    »Ja«, sagte ich und sprach noch leiser. »Was ist denn?«
    »Hören Sie«, sagte er. »Haben Sie schon mit Ben gesprochen?«
    »Ja«, sagte ich. »Gewissermaßen. Wieso? Was ist passiert?«
    »Haben Sie ihm von dem Tagebuch erzählt? Von mir? Haben Sie gefragt, ob er mit zum Waring House kommen will?«
    »Nein«, sagte ich. »Wollte ich gerade. Er ist oben, ich – Nun sagen Sie doch, was los ist.«
    »Verzeihen Sie«, sagte er. »Wahrscheinlich ist es nichts weiter. Aber vorhin hat mich jemand vom Waring House angerufen. Die Frau, mit der ich heute Morgen gesprochen habe. Nicole. Sie wollte mir eine Telefonnummer geben. Sie hat gesagt, Ihre Freundin Claire hat anscheinend dort

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